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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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mit Justine in mein Leben.
    Die Zeit zwischen den beiden verbrachte ich mit dem Studium, Whisky und Pornos. Der einzige Kurs, den ich in der Zeit besuchte, war Nigels NLP – und jeden Abend nach der Arbeit widmete ich mich weiteren Studien zum Thema sowie zu Hypnose, Bewusstseinskontrolle und Suggestion. Ich arbeitete so lange, bis ich vor Müdigkeit nichts mehr am Computer sehen konnte, dann legte ich in meinem Schlafzimmer eine DVD ein und sah sie mir bis zum unausweichlichen Ende an.
    Inzwischen wusste ich, wohin das alles führen würde. Mit erstaunlicher Klarheit sah ich vor mir, was meine Berufung war und dass mich alles, was mir im Leben bisher widerfahren war, zu diesem Punkt geführt hatte.
    Ich traf Rachelle, als ich an einem Sonntagmorgen im Baysbury Park spazieren ging. Das Wetter war schön, der Tag kalt und sonnig – weshalb ich davon ausgehen konnte, dass viele Menschen dort waren. Ich wäre beinahe nicht hingegangen. Doch ich hatte ein wichtiges Fußballspiel vergessen, daher waren alle zu Hause oder im Pub, um sich das Spiel anzusehen. Alle bis auf Rachelle und mich.
    Ich ging an ihr vorbei. Sie saß auf halber Höhe des Hügels auf einer Parkbank, und ihr Körper sowie die Tatsache, dass sie eine Jogginghose und Turnschuhe und ein viel zu großes Kapuzentop trug, in dem sie fast verschwand, faszinierten mich.
    Sie achtete nicht auf mich, also wagte ich, mich neben sie auf die Bank zu setzen.
    »Hallo«, sagte ich.
    Sie antwortete nicht gleich, sah aber in meine Richtung und lächelte verkrampft. Sie war es nicht gewohnt, dass man sie ansprach. Und sie war es nicht gewohnt, Aufmerksamkeit zu erregen. Sie war es gewohnt sich zu verstecken.
    »Herrlicher Tag heute«, sagte ich.
    »Ja, sieht so aus«, sagte sie. Ihre Stimme klang gepresst.
    »Warst du gerade joggen?«
    »Ja.«
    »Ich schaffe den Hügel in fünfunddreißig Sekunden«, sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, ob so etwas überhaupt möglich war und hatte mir eine beliebige Zahl ausgedacht, doch die schien ihren Zweck zu erfüllen. Wie auf Knopfdruck ließ sie sich auf mich ein. »Echt? Fünfunddreißig? Letzte Woche habe ich es gerade mal in sechzig geschafft.«
    »Du bist ziemlich fit«, sagte ich.
    »Nein«, sagte sie. »Ich bin zu …«
    Sie hielt inne, sprach es nicht aus.
    »Du bist auf einer Reise«, sagte ich. »Jeder Tag bringt dich deinem Ziel ein Stück näher.«
    Sie blickte erstaunt zu mir auf, ihre blauen Augen wirkten viel zu groß in ihrem blassen, ausgemergelten Gesicht.
    Versuchsweise legte ich meine Hand auf ihren Arm; ich hatte das Gefühl, als wäre das der richtige Zeitpunkt. Sie zuckte leicht zurück, zog ihn aber nicht weg. Ich spürte die Knochen unter meiner Hand, als wäre der Fleecestoff das Einzige, was mich von ihrem Skelett trennte.
    »Du hast recht«, sagte ich. »Alles, was du denkst und fühlst, ist richtig. Du hast den richtigen Weg gewählt.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Du kannst die Entscheidung treffen«, sagte ich. »Du kannst entscheiden, was passiert und wie es passieren soll.«
    »Kann ich das wirklich?« Sie war unsicher.
    »Du weißt, dass das die Wahrheit ist«, sagte ich, versuchte meine Stimme so ruhig wie möglich und Augenkontakt mit ihr zu halten. »Du musst das Richtige zur richtigen Zeit tun.«
    »Ich muss mir aber sicher sein, dass es auch funktioniert«, sagte sie.
    »Es wird funktionieren. Du triffst die Wahl. Wenn du dich dafür entscheidest, wird es so geschehen. Das solltest du wissen.«
    Ein paar Minuten später nahm sie mich mit zu ihrer Wohnung, die nur ein paar Straßen entfernt lag. Wir gingen an einem Pub vorbei, der so überfüllt war, dass ein paar Leute mit Plastikbechern in der Hand auf der Straße standen und auf den großen Bildschirm starrten, der sich im Lokal befand. Man konnte die Entwicklung des Spiels – wer da auch immer gegeneinander spielte – an den Schreien und dem Stöhnen erkennen, das sie ausstießen. Als wir ihre Haustür erreicht hatten, hörte ich Jubel aus den umliegenden Häusern, vielleicht sogar auch aus dem Pub.
    Wir hatten kein Wort miteinander gesprochen, seit wir langsam von der Parkbank aufgestanden und losgegangen waren, trotzdem trat sie zur Seite und ließ mich ins Haus. Das Leben hatte sie besiegt. Sie war mit allem einverstanden. Ich half ihr lediglich, den Weg zu finden, den sie bereits unbewusst gewählt hatte. Ich half ihr, ihre elende Existenz zu beenden, indem ich ihr die Erlaubnis gab, zu tun, was sie für notwendig hielt. Ich half ihr,

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