Wofür du stirbst
sich zu verwandeln.
Annabel
Schließlich wurde ich entlassen. Man hatte keine endgültige Diagnose stellen können, doch da ich mich sichtlich erholt hatte, ließ man mich unter der Voraussetzung gehen, dass ich zunächst bei Freunden wohnte. Man legte mir eine ambulante Psychotherapie nahe und gab mir ein Schreiben für meinen Hausarzt mit.
Sam holte mich ab und fuhr mich zu seinem Haus in der Keats Road. Mir fiel wieder ein, dass ich ihn am Tag, als meine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert worden war, nach Hause gebracht und das Anwesen von meinem Auto aus betrachtet hatte. Seitdem schien eine Ewigkeit vergangen zu sein.
Ich schwieg. Er stellte mir Fragen, auf die ich nicht antwortete, also gab er irgendwann auf. Ich fürchtete mich vor allem vor der von den Medikamenten verursachten Benommenheit in meinem Kopf, die dafür sorgte, dass ich weder denken noch mich richtig konzentrieren konnte. Im Krankenhaus war es furchtbar gewesen, aber irgendwie war die Welt draußen noch viel furchtbarer. Ich sollte nicht hier sein, dachte ich immer wieder. Ich sollte tot sein. Bin ich ein Geist? Fühlt sich das so an?
Sam wohnte bei Brian, seinem Dad, einem ehemaligen Soldaten, der die meiste Zeit mit seinen Veteranenfreunden trank, und dessen Frau Irene. Sie war alles, was meine Mutter nie gewesen war: fröhlich, lebhaft und voller Lebensfreude. Sie hatte früher Sams Mom gepflegt. Beide hießen mich ohne irgendwelche Fragen willkommen und stellten mir ihr kleines Gästezimmer zur Verfügung, für das Irene sich sogar entschuldigte, als ich meine tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollte, weil man mich dank ihrer Hilfe aus dem Krankenhaus entlassen hatte.
Sam führte mich hinauf in das Zimmer, in dem ein einzelnes Bett stand, auf dem eine geblümte Tagesdecke und ein Plüschtier lagen.
»Richte dich doch erst mal ein«, sagte er. »Möchtest du eine Tasse Tee?«
»Vielleicht später«, sagte ich. »Ich möchte gerne ein wenig schlafen.«
Er ließ die Tür offen stehen, als er hinunterging. Ich zog sie zu, legte mich hin und schloss die Augen.
Am nächsten Tag rief Frosty an und fragte, ob ich in der Lage sei, mit jemandem zu sprechen. Sam war bei der Arbeit und hatte mich bei Irene gelassen. Ohne ihn fühlte ich mich einsam und verloren.
»Ich denke schon«, sagte ich. »Aber ich weiß gar nichts.«
Er kam mit einer Polizistin vorbei, die ich nicht kannte und deren Namen ich vergaß, sobald sie ihn mir gesagt hatte. Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Irene machte Tee und stellte ein Tablett mit selbst gemachtem Apfelkuchen vor uns auf den Tisch, während sie die ganze Zeit über das Wetter, die Straßenbauarbeiten im Stadtzentrum und die Teilnehmer der nächsten Let’s-Dance- Staffel redete. Als sie endlich ging, klingelten uns die Ohren, als wären wir taub.
»Du siehst gut aus, Annabel«, sagte Frosty schließlich. »Wie fühlst du dich?«
»Gut«, sagte ich automatisch.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, sagte die junge Frau. Sie lächelte mich an. »Alles, woran Sie sich momentan erinnern können, hilft uns weiter.«
»Ich kann mich an nichts erinnern«, sagte ich.
»Sam hat uns gesagt, du hättest ihm von einem Mann erzählt. Einem Engel. Kannst du dich daran erinnern?«
Ich schloss meine Augen und dachte darüber nach. Ich wollte ihnen helfen. Ich wollte mich erinnern.
»Er war völlig durchschnittlich. Ein durchschnittlicher Mann. Aber er hat Dinge zu mir gesagt, die mich beruhigt haben. Er war nett.«
»Ist er mit dir nach Hause gegangen?«
»Nein«, sagte ich. »Ich bin nach Hause gefahren. Da war ein Regenbogen.«
Ich wollte noch hinzufügen, dass der Regenbogen ein Zeichen war, das meine Mutter mir gesandt hatte, um mir zu verstehen zu geben, dass ich ihm vertrauen konnte, dass sie ihn mir geschickt hatte, damit er sich meiner annahm. Doch das behielt ich für mich. Sie hätten es nicht verstanden. Sie hätten mich ausgelacht.
»Und was ist passiert, als du zu Hause warst?«
»Nichts. Am nächsten Morgen bin ich wieder los. Ich habe mit Ihnen telefoniert«, sagte ich zu Frosty.
»Stimmt«, sagte er. »Wo warst du, als wir telefoniert haben?«
»Ich stand auf dem Parkplatz. Ich war auf dem Weg zum Bestattungsunternehmen.«
»Weißt du noch, ob du auch wirklich dort warst?«
»Nein«, sagte ich. Ich schloss erneut die Augen und versuchte krampfhaft, es mir vorzustellen. »Ich weiß noch, dass ich zum Beerdigungsinstitut ging und er davor auf mich wartete.«
Ich sah Frosty
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