Wofuer es sich zu sterben lohnt
sie mit ihrem Chef darüber gespro chen hat. Er und seine Frau waren zum Essen bei uns, das war, unmittelbar bevor wir nach Schweden fliehen muss ten. Ich konnte das nicht überhören, sie waren draußen im Garten, gleich unter meinem offenen Fenster. Sie spra chen über die Ägypter und darüber, wie sie die Leute er morden ließen.«
Tigist griff sich an die Stirn.
»Was für Ägypter? Willst du mich hier zum Narren hal ten, Theo?«
Diesmal verkniff er sich das Kopfschütteln. Er sah sie nur mit einem Blick an, der sagte, wie sinnlos es sei, mit je mandem zu sprechen, der einem doch nicht glaubte.
Tigists Hände erstarrten mitten in einer Bewegung, un sicher, wohin sie nun ihren Weg nehmen sollten. Sie frag te ungläubig:
»Hat Mariam geglaubt, sie könnte von Ägyptern ermor det werden?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß es doch nicht …«
»Hast du sie nicht gefragt?«
Er klang plötzlich viel jünger.
»Sie verstehen das nicht. Über solche Dinge konnte ich mit ihr nicht reden. Es gab so vieles, was ich niemals fragen konnte. So vieles, das ich nie erfahren habe.«
Tigists Stimme klang jetzt warm, sanft, gefährlich für den, der befragt wurde, fand Monika.
»Musstest du deshalb herkommen? Hast du gehofft, dass du Antworten auf deine Fragen bekommen würdest, wenn du sehen könntest, woran deine Mutter gearbeitet hat, als Salomon erschossen wurde?«
Theo nickte zaghaft.
Sie macht es sich leicht, denkt Monika. Was für Sugges tivfragen!
»Warum war das plötzlich so wichtig?«
»Ein Junge, den ich gekannt habe, war in Stockholm er mordet worden. Die Polizei wollte mit mir sprechen. Sie hätten sicher entdeckt, wer ich bin, wer meine Mutter ist. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Alles war nur noch Chaos. Ich dachte, ich würde verrückt. Es gab so viel, was ich nicht wusste.«
Überaus praktisch, dachte Monika. Angenommen, Theo hat Juri erstochen. In dem Fall hat er die Erklärung für sei ne Flucht gratis bekommen. Wollte nur wissen, was sein Mütterchen so getrieben hat. Klar doch.
Tigist fragte:
»Und weißt du jetzt, was du wissen wolltest?«
Theo nickte unglücklich und schaute zum Bett hinüber, wo sich ein eleganter Laptop von der übrigen eher beschei denen Einrichtung abhob.
Monika stand auf und holte den Laptop. Sie öffnete ihn und landete mitten in einer Datei. Theo hatte es sehr ei lig gehabt.
Sie las laut:
»… sie ist zugleich ein Opfer der modernen zynischen Ausbeutung Afrikas. Abends und an den Wochenenden ar beitet sie für einen reichen Amerikaner... ein ägyptisches Konsortium vermittelt die Kontakte …«
Sie schaute Tigist an.
»Hier haben wir’s! - ›Ein ägyptisches Konsortium ver mittelt die Kontakte und bereichert sich an der Arbeit der Äthiopierinnen. Die Patienten in den USA glauben, der berühmte Professor Paterson habe ihre Röntgenbilder be urteilt. Da irren sie sich. Nicht er erklärt sie für gesund oder findet ihre Tumore. Sondern Professor GebreSelassie. Professor GebreSelassie ist eine schweigende Mitläuferin bei diesem verwerflichen Schachern mit menschlichen Res sourcen. Diese Geschäfte sind außerdem illegal. Professor Paterson gibt ihre Beurteilungen als seine eigenen aus, und Professor GebreSelassie bezahlt keine Steuern für das Geld, das auf ein geheimes Bankkonto geschleust wird …‹«
Sie verstummte.
»Theo - was ist das hier?«
»Das hat Salomon geschrieben. Er wollte eine Sendung über sie machen. Sie wollte nicht. Sie fürchtet sich sonst vor nichts, aber da ist sie in Panik geraten.«
Er versuchte, tief durchzuatmen, fing aber an zu husten. Als der Husten sich gelegt hatte, keuchte er:
»Deshalb habe ich ihn erschossen.«
Tigist stand auf, packte Theo und zog ihn zur Tür. Mo nika sprang auf und lief hinterher. Der Zabagna, deutlich beunruhigt, schloss sich an.
Draußen kniffen sie im Sonnenlicht die Augen zusam men. Tigist stellte sich breitbeinig, die Hände in die Seiten gestemmt, vor den ein wenig schwankenden Theo hin.
»Du hast also eine Waffe ins Hilton geschmuggelt und Salomon erschossen?«
»Ja. Das ist nicht so schwierig, wenn man sich da aus kennt. Ich bin durch die Hintertür gegangen.«
»Woher hattest du die Waffe?«
»Vom Mercato.«
»Woher genau?«
»Weiß nicht. Von einem Typen aus dem Norden, der stand einfach auf der Straße.«
»Wann genau hast du sie gekauft?«
»An dem Tag eben.«
»Und wenn ich sage, dass du den ganzen Tag in der Schu le warst?«
»Dann irren Sie sich.«
»Wenn ich sage,
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