Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
Vom Netzwerk:
dass ich mit deiner Lehrerin gesprochen habe und dass sie versichert, dass du seit Viertel nach zehn in der Schule warst, was sagst du dann?«
    »Dass sie lügt.«
    Und nun schnappte Monika nach Luft, denn Tigist zog ihre Waffe. Sie hob sie langsam und zielte damit auf Theo.
    Theo war überhaupt in keinem vernehmungsfähigen Zustand, das wusste Monika. Bisher hatte sie keinen Ein spruch erhoben, aber wenn Tigist ihn bedrohen wollte, dann musste sie eingreifen.
    Ehe sie etwas sagen konnte, drehte Tigist die Pistole um und reichte sie Theo.
    »Hier. Nimm die.«
    Theo wich zurück. Tigist folgte.
    »Nimm die Pistole, Theo.«
    Vor Monikas entsetzten Augen griff Theo unsicher zur Pistole.
    »Jetzt schieß auf den Busch da hinten. Der befindet sich in geringerer Entfernung von dir als Salomon damals. Zeig mir, wie du es gemacht hast.«
    Theo schaute die Pistole in seiner Hand an, als habe er so einen Gegenstand noch nie gesehen.
    »Schießen, Theo! Schießen!«
    Er hob zögernd die Waffe. Die Mündung zeigte auf den Busch, auf den Boden, wieder auf den Busch, auf das Nach barhaus. Nichts passierte.
    Tigist trat vor und riss die Pistole wieder an sich.
    »Theo«, brüllte sie. »Ich kenne dich besser, als du dich selbst kennst. Ich habe mit all deinen Freunden gespro chen, mit all deinen Lehrern, mit deinen Verwandten und Nachbarn. Viele, viele Stunden lang. Ich weiß, dass du mit einer Pistole nicht umgehen kannst. Also erzähl mir nicht, du hättest Salomon erschossen. Das warst du nicht.«
    Sie drehte sich zu Monika um.
    »Keine Angst, ich hab die Munition rausgenommen.«
    Sie schob das Magazin wieder hinein und steckte die Waffe ins Holster.
    »Also vergeude hier nicht weiter unsere Zeit, Theo. Ich will wissen, was du im Hilton gesehen hast. Monika will wissen, was in Stockholm passiert ist. Du hast uns die Sa che bisher schwer gemacht. Jetzt zeig endlich ein biss chen Reue, die uns weiterführt. Was hast du im Hotel ge sehen?«
    Wenn ein Schock Menschen dazu bringt, die Wahrheit zu sagen, dann konnten sie Theo jetzt wohl glauben. Er sagte:
    »Die Pistole.«
    »Sehr gut. Du hast die Pistole gesehen. Wo?«
    Seine Stimme senkte sich zu einem angestrengten Flüs tern.
    »Sie ließ eine Pistole fallen. Die lag einfach da auf dem Boden, zwischen uns. Ich trat sie weg. Ich habe nicht ein mal darüber nachgedacht, ich wollte sie nur los sein.«
    »Wer hat sie fallen lassen?«
    Sein Blick schien einen letzten Ausweg zu suchen, aber keinen zu finden. Also kam die Antwort, leise, resigniert:
    »Mariam. Meine Mutter.«
    Monika erstarrte. Mariam, die zierliche, schweigsame Ma riam hatte ihren Liebhaber erschossen. Und dieser Mord hatte zu dem Mord in Stockholm geführt. Auf irgendeine Weise.
    Sie schaute den jungen Mann an, der jetzt bedenklich schwankte. Ein Hauch von Mitgefühl lief wie schwacher elektrischer Strom durch ihr Inneres. Theo hatte gesehen, wie seine Mutter ihren Liebhaber erschoss. Den Liebha ber, der sie bedroht hatte. Das hörte sich an wie ein Alb traum höheren Kalibers und erklärte eine ganze Menge. Die Flucht. Das Schweigen.
    Theo geriet aus dem Gleichgewicht und ließ sich auf den Boden fallen. Tigist hielt ihn nicht davon ab.
    »Theo, denk nach. Hast du gesehen, wie sie die Pistole losgelassen hat, oder hast du die erst auf dem Boden ent deckt?«
    »Weiß nicht mehr.«
    Monika juckte es in den Fingern. Das hier war ihr Fall, es hätte auch ihre Vernehmung sein müssen. Aber Juri war wieder ins Hintertreffen geraten, diesmal durch Salomons dramatischen Tod. Ihre Fragen mussten unausgesprochen bleiben, sie war hier ja nur ein Gast.
    Theo saß in sich zusammengesunken auf dem Boden. Tigist hatte ihm sein großes Geheimnis entlockt, jetzt gab es nichts mehr zu tun für ihn. Und das Atmen schien ihm zusehends schwererzufallen.
    Monika versuchte, sich an das zu erinnern, was sie über Ertrinken gehört hatte. Jemand, der fast ertrunken wäre, konnte sich danach doch überaus elend fühlen. Bestimmt brauchte Theo einen Arzt.
    Auch Tigist sah jetzt besorgt aus.
    »Jetzt fahren wir zurück nach Addis«, sagte sie. »Wir müs sen mit Mariams Chef im Krankenhaus sprechen. Dieser Mistkerl hat kein Wort über irgendwelche Ägypter gesagt, als ich nach Mariams Verschwinden mit ihm gesprochen habe. Außerdem sieht Theo so aus, als ob er einen Arzt brauchte.«
    Das war nicht übertrieben. Theos Atemzüge schienen im mer kürzer zu werden, und das Aufstehen fiel ihm schwer. In Schweden hätte Monika jetzt einen

Weitere Kostenlose Bücher