Wofuer es sich zu sterben lohnt
Englisch fügte sie hinzu: »Wir sind von der Polizei. Wir wollen mit dir sprechen - drinnen.«
Der Zabagna holte Luft, blinzelte, hob die Hände und sagte auf Englisch:
»Heute ist Korit stark. Sehr stark.«
Tigist keuchte wieder auf. Monika hörte, dass sie jetzt rasch und flach atmete, und brüllte auf Schwedisch: »Und versuch bloß nicht, meiner Kollegin so eine Scheiß angst einzujagen. Aus dem Weg, du Betrüger.«
Sie versuchte, sich an dem Zabagna vorbeizudrängen. Sie hoffte, dass das nicht verboten war. Sie hoffte, Tigist würde es wagen, ihr zu folgen.
»Korit wird außer sich sein.« Als das Monika nicht aufhal ten konnte, erhöhte er das Gebot: »Außer sich vor Wut.«
»Komm, Tigist. Jetzt gehen wir rein.«
Tigist zögerte. Der Zabagna versuchte, sie mit seinem dunklen, sehenden Auge aufzuhalten: Bleib, wo du bist. Monika versuchte, ruhig und gelassen auszusehen: Komm jetzt endlich.
Aber Tigist konnte ihre Blicke nicht von dem Zabagna losreißen, sie war von seinem Auge gefesselt.
Monika musste umkehren, zwischen die beiden treten, Tigist an der Hand fassen und sie nach vorn drehen.
»Komm jetzt. Jetzt gehen wir zu Theo.«
Sie musste Tigist mehr oder weniger durch das Tor zer ren.
Dort blieben sie stehen. Sie sahen die schlichte Hütte mit dem Wellblechdach kaum. Sie bemerkten nicht den Baum mit den ungewöhnlichen Blumen auf den nackten Zweigen. Denn nur einige Meter vor ihnen öffnete sich ein mächtiger Krater, und darunter lag das Maar, so grau wie der Berg, der sich darum erhob.
Man brauchte nicht an böse Geister zu glauben, um die sen Anblick unheimlich zu finden. Das Wasser lag so still da, dass es tot zu sein schien. Monika spürte, wie Tigist zu sammenschauderte.
Verdammt. Dem See war das gelungen, was der Zabagna nicht geschafft hatte. Die stumme Oberfläche nahm all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch, und sie konnte sich nicht richtig umsehen. Sie wusste nicht, wo der Zabagna war. Sie wusste nicht, ob Tigist ihre Waffe bereithielt.
Sie blickte sich um.
Der Zabagna stand noch immer am Tor. Tigist sah wie ge lähmt aus, und ihre Arme hingen hilflos nach unten. Das Haus sah mit den vorgeschlagenen Blenden und der ver schlossenen Tür abweisend und geheimnisvoll aus.
Und darin konnte sich wirklich jeder und alles befin den.
Sie drehte sich zu dem Zabagna um und versuchte, sich ganz sorglos anzuhören.
»Wir suchen Theo. Ist der hier?«
Keine Antwort.
»Wir wollen nur mit ihm sprechen.«
Noch immer keine Antwort.
Plötzlich wurde die Haustür aufgestoßen. Ein junger Mann stürzte heraus, rannte um das Haus und verschwand über den Kraterrand.
Monika, Tigist und der Zabagna stürzten hinterher und schauten nach unten. Die Felswand fiel steil ab. Hier und da klammerten sich einzelne Gewächse an Spalten und zwischen lockeren Steinen an.
Unter ihnen jagte der junge Mann, bei dem es sich um Theo handelte, den Hang hinab. Monika sah, dass er etwa zehn Meter unter ihnen ein wenig abflachte, um dann fast lotrecht zum Wasser hin abzufallen. Auf diesem Absatz konnte ein Mensch ohne Höhenangst um die Kraterwand gehen. Wenn Theo ein Stück weiter hochkletterte, könnte er die Straße erreichen und verschwinden.
Aber bisher glitt er nur rascher und rascher nach unten.
»Ganz ruhig, Theo«, rief sie.
Vor der Polizei zu fliehen war gefährlich. Sie hatte noch nie einen jungen Autodieb dazu gebracht, vor Angst gegen einen Betonpfeiler zu krachen. Sie hatte noch nie einen Verdächtigen vor einen LKW gejagt, der nicht mehr anhal ten konnte. Vielleicht hatte sie dabei mehr Glück als Ver stand gehabt, aber sie wollte diese Bilanz jetzt nicht ver ändern.
Aber Theo kannte keine Ruhe. Er schaute nach oben, wurde schneller.
Dann erreichte er endlich den kleinen Absatz. Er versuch te zu bremsen, lehnte sich gegen die Felswand, aber der Stein unter seinen Füßen war von Kies bedeckt. Er fand keinen festen Halt, er versuchte, sich aufzurichten, um das Gleichgewicht zurückzugewinnen, aber seine Füße waren schon auf dem Weg zum Wasser. Er kippte zur Seite. Moni ka und Tigist hörten den Knall, mit dem sein Hinterkopf gegen die Felsen schlug.
Danach, nach einem überraschend langen Moment, hör ten sie das Platschen, als er auf das Wasser auftraf. Eine klei ne Gruppe grauer Vögel, die Monika noch nie gesehen hat te, flog vom Wasserspiegel auf.
Verdammt.
Monika hielt Ausschau nach seinem Kopf. Hoffentlich tauchte der bald wieder auf. Hoffentlich konnte er zum Rand des Sees schwimmen,
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