Wofuer es sich zu sterben lohnt
werden. Wenn sie die Wahl gehabt hätte, wäre sie lieber eine Weile in Ruhe ge lassen worden.
Sie war Korit und der toten Oberfläche des Maars entge gengesprungen. Sie hatte Theo heraufgeholt, obwohl ihre Lunge purer Schmerz gewesen war. Sie hatte gesehen, wie Tigist vor einem erschöpften Zeugen die Waffe gezogen hat te, und Kilometer um Kilometer dicht neben einem jungen Mann gesessen, dem das Atmen immer schwerer fiel.
Und jetzt wurde von ihr Interesse für schwarze Löwen erwartet. Sie blätterte eilig in ihrem gedanklichen Archiv zum Thema Löwen, Tiger und andere Katzentiere. Dort gab es schwarze Panther, weiße Tiger, aber keine schwar zen Löwen.
»Ein schwarzer Löwe«, sagte sie müde. »So einen hab ich noch nie gesehen, nicht einmal auf einem Bild.«
Professor Menelik lächelte strahlend.
»Der wird Ihnen auch nicht begegnen. Unsere Löwen haben schwarze Mähnen, aber ansonsten sind sie gold gelb wie alle anderen. Der schwarze Löwe ist unser Wap pentier. Das Krankenhaus ist in den sechziger Jahren ge baut worden, unter Kaiser Haile Selassie. Als wir nach der kommunistischen Revolution ein neues System bekamen, brauchten wir unseren Namen nicht zu ändern, anders als zum Beispiel Prinzessin Tsehais Kinderkrankenhaus. Als das marxistische Regime dann gestürzt wurde, konnte das Krankenhaus seinen Namen weiterhin behalten, anders als Häuser, die nach Lenin oder Marx benannt worden wa ren.«
Er führte sie in ein Arbeitszimmer, das mit Löwenbildern dekoriert war, etliche hatten schwarze Mähnen. Er machte es sich hinter seinem Schreibtisch bequem.
»Nehmen Sie Platz, nehmen Sie Platz! Alle wissen, dass die Wiege der Menschheit in Äthiopien gestanden hat. Aber nicht ebenso viele wissen, dass auch der Löwe hier das Licht der Welt erblickt hat. Und zusammen sind sie dann ins süd lichere Afrika weitergewandert.«
Tigist sagte ungeduldig:
»Hören Sie auf. Wir sind nicht hergekommen, um über Löwen zu sprechen. Wir sind hier, um uns über Dr. Mariam zu unterhalten. Wir sind hier, um über den erschossenen Salomon zu reden. Wir sind hier, um über die Ägypter zu sprechen.«
Der Professor rutschte in seinem Sessel hin und her, als sei dieser plötzlich unbequem geworden.
»Dieselben Ägypter«, sagte Tigist ärgerlich, »über die ich bei meinem letzten Besuch hier kein einziges Wort vernom men habe.«
Er schlug die Augen nieder. Er schaute sehnsüchtig die Tür an. Das hier war ein Gespräch, das er nicht führen woll te. Das verhieß nicht Gutes.
Tigist streckte die Hände aus, Handfläche neben Hand fläche, und richtete die Fingerspitzen auf ihn.
»Wir wissen jetzt, dass Dr. Mariam nebenbei für eine ägyptische Firma gearbeitet hat. Theo hat gehört, wie Sie und Dr. Mariam über Ägypter gesprochen haben, die Rönt genärzte ermorden. Erste Frage: Sind das dieselben Ägyp ter?«
Der Professor sah unglücklich aus. Er nickte und fuhr mit der Hand über einen kleinen Bronzelöwen, als kön ne er ihn damit in ein majestätisches, ausgewachsenes Tier verwandeln, das Monika und Tigist dann verschlin gen würde.
»Aber wieso haben Sie uns das verschwiegen - Sie muss ten doch wissen, dass das wichtig sein könnte!«
Der Professor zog einige Papiere aus seiner Schreibtisch schublade und hielt sie Tigist hin.
Monika und Tigist lasen gemeinsam.
Es waren Ausdrucke aus allerlei Netzzeitschriften. Bei al len ging es um tote Röntgenärzte. Sie stammten aus Pa kistan, Kolumbien, Weißrussland und Botswana. Die Ärz te waren in ihren Diensträumen erwürgt worden, und je mand, der Mörder vermutlich, hatte die Leichen mit Dol larnoten bestreut. Täter waren nie gefunden worden.
Tigist und Monika wechselten einen verdutzten Blick. Bi zarr. Gelinde gesagt.
Professor Menelik ließ sie fertig lesen. Dann sagte er lang sam:
»Ich hatte Angst. Es tut mir leid, aber ich habe nicht ge wagt, etwas zu sagen.«
Tigist sah aus, als habe sie schon viele um einiges über zeugendere Ausflüchte gehört.
»Ein Röntgenarzt in Pakistan wird ermordet, und des halb trauen Sie sich in Addis Abeba nicht, mit der Polizei zu reden?«
Der Professor sah unglücklich aus, nickte aber.
»Ich verstehe ja, dass das seltsam klingen mag …«
»Seltsam? Das klingt verrückt. Es würde kriminell klin gen, wenn es nicht so unwahrscheinlich wäre.«
Die Pause, die nun folgte, war spannungsgeladen, aber am Ende ließ Tigist sich wieder in ihren Sessel sinken.
»Na gut. Erklären Sie es uns. Von Anfang an.«
»Ehe ich
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