Wofuer es sich zu sterben lohnt
konnte er nicht sicher wissen, solange sie es ihm nicht erzählt oder er keinen Zugang zu ihrem Computer hatte. Aber er konnte feststellen, dass sie zusätzliche Ein nahmen hatte, er brauchte sich ja nur darüber zu infor mieren, welche Schule Theo besuchte und welches Auto sie fuhr. Es gab keine große Auswahl, und nur eine einzige passende Ärztin war alleinstehend.«
Monika und Tigist wechselten einen Blick, und der Pro fessor kommentierte:
»Das habe ich doch gesagt. Ein wirklich ungeheuer un sympathischer Mensch.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann musste Monika einfach fragen:
»War denn etwas Wahres an seinen Behauptungen? Wa rum konnte diese Zusammenarbeit nicht offen ablaufen, ohne Vermittler? Das wäre für alle doch besser gewesen. Abgesehen vielleicht von dieser ägyptischen Firma.«
Sie begriff plötzlich, wie seinen Studierenden zumute sein musste, wenn sie etwas ungewöhnlich schlecht Durch dachtes sagten. Der Professor antwortete säuerlich:
»Können Sie sich vorstellen, wie Patienten in den USA reagieren, wenn sie erführen, dass nicht ihr vertrauenswür diger Doktor zu Hause über ihren Bildern geschwitzt hat? Sondern dass stattdessen eine wildfremde Afrikanerin in einem Land, von dem sie noch nie gehört haben, diagnos tiziert, ob sie einen Tumor haben oder nicht? Damit wäre diese Einkommensquelle versiegt, darauf können Sie sich verlassen. Und wer hätte davon etwas? Niemand.«
Monika konnte sich die Frage nicht verkneifen, ob es den Professor nicht störe, dass seine Frau und Mariam mit so geringem Verdienst arbeiteten.
»Nach unseren Maßstäben wird diese Arbeit nicht schlecht bezahlt«, antwortete er mit ernster Miene. »Sie müssen davon ausgehen, was man hier oder dort für das Geld bekommen kann.«
Er schaute aus dem Fenster. Das Krankenhaus wurde um einen weiteren Anbau vergrößert. Ein Strom von Frauen schleppte Ziegelsteine ein baufälliges Gerüst hoch.
»Die Frauen, die da draußen arbeiten«, sagte er leise, »ver dienen pro Tag ungefähr einen US Dollar. Das dürfen Sie nicht vergessen.«
Monika trat ans Fenster. Kleine, schmächtige Frauen in langen Röcken und Kitteln und mit billigen Plastikschuhen an den Füßen mühten sich mit den schweren Steinen nach oben. Ein Dollar. Sieben Kronen. Und nicht in der Stunde, sondern für die harte Arbeit eines ganzen Tages. Doch, das änderte die Perspektive.
Tigist, für die das alles keine Neuigkeit war, rieb sich die gerunzelte Stirn.
»Wussten viele, dass Salomon eine Reportage über diese Röntgenärzte plante?«
»Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Er war nicht ge rade raffiniert, als er hier war. Er stellte ziemlich offene Fra gen. Ich antwortete, dass ich nichts wüsste, aber das glaubte er mir wohl nicht. Wenn er so weitergemacht hat, kann es kein großes Geheimnis gewesen sein. - Mariam hat mich um Rat gefragt, als sie aus Genf zurückkam. Sollte sie das Angebot annehmen, auch wenn es in der Grauzone lag? Ich fand, sie sollte es machen, um ihre Kompetenz beizubehal ten. Man muss kontinuierlich mit dieser Materie arbeiten, wenn man in der Spitzenklasse bleiben will. Ich wollte na türlich auch, dass sie ein wenig dazuverdiente. Ich war so froh, als sie zurückkam. Ich war so froh darüber, dass sie ein Röntgenzentrum aufbauen wollte. Ich war außerdem dankbar, als auch meine Frau diese Chance erhielt. Ich hat te doch keine Ahnung, dass es für irgendjemanden gefähr lich werden könnte.«
Tigist wirkte noch immer nicht überzeugt.
»Sie glauben also, dass diese ägyptische Firma ihre Ar beitskräfte einfach umbringen lässt? Was haben sie da von?«
»Schweigen. Verstehen Sie, ich habe nicht gewagt, etwas zu sagen, als Salomon hier war. Es gibt viele tüchtige Rönt genärzte - sie können es sich leisten, einige einzubüßen.«
»Das klingt aber trotzdem ziemlich weit hergeholt.«
»Wieso denn? Auch wenn der Kollege in Kolumbien sich geirrt hatte und die Ägypter nur fünfzig Prozent kassieren, verdienen sie enorme Summen. Leicht verdientes, unge fährliches Geld. Jeden Tag werden Menschen für sehr viel weniger umgebracht.«
Professor Meneliks Telefon klingelte.
Das war Dr. Yonas, erklärte er nach kurzem Gespräch. Unter der Beule war Theos Schädel unversehrt, aber seine Lunge hatte einen Wasserschaden davongetragen. Er musste über Nacht im Krankenhaus bleiben. Er wurde behandelt, und es ging ihm schon besser. Alles würde sich finden.
Monika deutete das so, dass Theo wieder gesund werden würde. Dass
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