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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
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Wohnungstür, lassen sie halboffen stehen, während sie sich davon überzeugen, dass sie ihre Schlüssel, ihr Tele fon, ihre Brieftasche haben. Dann gehen sie los, ziehen die Schlüssel hervor, schließen ab. In dieser Zeit kann ein tüch tiger Sprinter hundert Meter hinter sich bringen, ein tüchti ger Profi kann mit einer passenden Waffe hervortreten, zum Beispiel seinen Händen, und die Person wieder in die Woh nung zurückdrängen. Danach braucht er nur die Tür zuzu ziehen und seinen Auftrag in aller Ruhe auszuführen.
    Eine andere Möglichkeit wäre, ihr zu folgen, wenn sie ging. Zu improvisieren, die Gelegenheit ergreifen, wenn sie sich bot. Das klang aber gerade an diesem Tag nicht so ver lockend, und er fragte sich, ob es ein Zeichen dafür sein könnte, dass er alt wurde.
    Er konnte natürlich auch ins Haus gehen, wenn die Tür verschlossen war. Der Nachteil war, dass es entweder sehr lange dauern oder sehr laut sein würde.
    Aber im Moment standen noch alle Wege offen. Es wür de vielleicht nicht mehr heute geschehen, aber er würde se hen, welche Möglichkeiten bestanden.
    Jetzt war durch das verschmutzte Glas im Türfenster im Treppenhaus jemand zu sehen. Die Tür wurde von einem schlaksigen jungen Mann aufgestoßen, bei dem es sich durchaus um einen Äthiopier handeln konnte. Der blau äugige Mörder trat vor und fing die Tür, ehe sie ins Schloss fallen konnte. Es überraschte ihn, dass der junge Mann ihn erstaunt ansah, als habe er ihn wiedererkannt, denn das war doch unmöglich.
    Sein eigenes Gesicht war ganz ruhig und zeigte nicht, dass er die Reaktion des anderen registriert hatte. Er ging einfach weiter, mit der Autorität seiner Größe und seiner Körpersprache. Wenn er sich umgedreht hätte, hätte er ge sehen, dass der junge Mann regungslos einige Meter von der Tür entfernt stehen blieb.
    Langsam stieg er die schmale Treppe hoch. Die Stufen waren aus einer Art Steinimitat von schlechter Qualität. Sie waren dunkelgrau mit kleinen helleren Flecken und in der Mitte bereits eingetreten, obwohl das Haus einen Fahr stuhl besaß.
    Er ging vorbei an den Wohnungstüren, vier auf jeder Eta ge. Er hätte sich überall in Europa befinden können, denn die Namen klangen wie ein Komitee der UNO. Honka nen. Drusic. Nilsson. Özcan. Anddevich. Singh. Erdogan. Warunprapa & Shinawatra. Viele waren handgeschrieben, auf kleine, zufällige Zettel, die zeigten, wie kurzfristig die Mietverträge waren.
    Im vierten, zweitobersten Stock, fand er sie: GebreSelas sie H.
    H? Hätte das nicht M heißen müssen? Es spielte sicher keine Rolle, aber er sah sicherheitshalber nach, ob es im obersten Stock eine GebreSelassie M. gab. Die gab es nicht. Es gab dagegen einen Björnsson J., dessen Hunde seine lei sen Schritte gehört hatten. Sie kläfften und lärmten hinter der glücklicherweise solide gesicherten Tür. Björnsson pass te gut auf seine Ware auf. Er kehrte rasch in den unteren Stock zurück. Er blieb vor ihrer Tür stehen, lauschte, hörte nichts, sah sich das Schloss an.
    Die Leute waren ja so dumm.
    Im Zwischenraum zwischen Tür und Rahmen, wo das Si cherheitsschloss saß, war nichts zu sehen.
    Die Tür war nicht abgeschlossen.
    Er stieg wieder die Treppe hoch und blieb auf dem Ab satz neben dem Fahrstuhlschacht stehen. Dort konnte er in aller Ruhe überlegen, ohne entdeckt zu werden.
    In seinem normalen Leben leuchtete eine unverschlos sene Tür wütend rot. Hier stimmte etwas nicht. Überhaupt nicht.
    Außerhalb seiner Welt, und er wusste, dass er sich im Mo ment außerhalb dieser Welt befand, war eine unverschlos sene Tür einfach nur eine unverschlossene Tür.
    Hinter dieser Tür gab es eine Röntgenärztin. Noch eine übermütige Ärztin, die glaubte, ihr Beruf beschütze sie der maßen vor den Gefahren des Lebens, dass sie nicht einmal ihre Tür abzuschließen brauchte. Warum hätte sie auch et was anderes glauben sollen?
    Weil etwas passiert sein musste. Etwas musste den Kun den in Alexandria veranlasst haben, ein weiteres Mal viel Geld für Schweigen zu bezahlen. Deshalb hätte diese Tür verschlossen sein müssen.
    Es war schwer, die Lage zu beurteilen. Sollte er hinein gehen oder nicht?
    Dafür sprachen sein Beruf, sein Alter, die Tatsache, dass es schön sein würde, die Sache hinter sich zu haben und nach Hause fahren zu können.
    Dagegen sprach, dass es einfach zu leicht war, und das Wissen, dass wir selten etwas geschenkt bekommen.
    Der Fahrstuhl wurde unten im Parterre in Bewegung ge setzt, er

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