Wogen der Liebe
Fische beißen rein. Du stößt dich an den Steinen.«
»Was sagst du? Ich verstehe dich nicht. Das Wasser ist so laut.«
Raudaborsti formte ihre Hände wie ein Signalhorn um ihren Mund. »Du sollst …« Sie stockte mitten im Satz.
»Was wolltest du sagen?« Viviane platschte mit den Füßen im Wasser. Im nächsten Augenblick spürte sie etwas Hartes, Kaltes an ihrer Kehle.
»Wen haben wir denn hier?«, hörte sie eine Stimme hinter sich. Erschrocken wollte sie herumfahren, doch das Messer an ihrem Hals hinderte sie daran.
»Asgeir!«
»Ganz recht, du rothaarige Hexe«, keuchte es hinter ihr, nah an ihrem Ohr. Trotz des starken Rauschens konnte sie jedes Wort verstehen. Das Entsetzen kroch unter ihre Haut. Asgeir packte sie mit einer Hand, zog sie hoch und drehte ihr den Arm auf den Rücken. So viel Kraft hatte Viviane ihm gar nicht zugetraut.
»Na los, lauf runter und hol Thoralf her«, herrschte er Raudaborsti an. »Er soll allein kommen und ohne Waffen, sonst werfe ich diese rote Hexe den Wasserfall hinab.«
»Du traust dich allein hierher, du feige Krähe«, keuchte Viviane. »Wolltest du sehen, ob Thoralf wiedergekommen ist?«
Asgeir drückte das Messer fester an Vivianes Kehle. »Ganz recht, aber ich wusste schon, dass er gekommen ist. Hier raunen die Bäume und erzählen die Steine. Und allein bin ich auch nicht. Ich bin doch nicht verrückt.« Sein irres Lachen verriet das Gegenteil.
»Raudaborsti, es ist eine Falle! Thoralf darf nicht herkommen!« Viviane schrie, so laut sie konnte, und hoffte, Raudaborsti konnte es noch hören.
Die Kleine rannte, wie von Trollen erschreckt, hinunter nach Skollhaugen. Thoralf dirigierte gerade seine Männer mit weiteren Baumstämmen ans Tor, um die Querbalken zu verstärken.
»Hilfe, Hilfe, Asgeir hat Viviane gefangen«, keuchte sie völlig außer Atem. Wie ein Wiesel sauste sie um Thoralf herum. »Er will ihr die Kehle aufschlitzen, er will sie den Wasserfall hinunterwerfen. Schnell, schnell, wir müssen Viviane retten!«
»Bei Odin, was sucht sie oben am Wasserfall?« Thoralf zog sein Schwert.
»Keine Waffen«, stöhnte Raudaborsti. »Das hat er extra gesagt. Sonst …«
»Ja, ja, ich lass mich doch von diesem Wurzeltroll nicht einschüchtern. Männer, folgt mir!«
Raudaborsti hüpfte wie ein Frosch im Tonkrug auf und ab. »Nein, keine Männer mitnehmen. Das ist eine Falle! Bestimmt überfallen sie Skollhaugen noch einmal. Asgeir wusste, dass die Schiffe wieder da sind.«
Thoralf hielt mitten im Lauf inne. »Das klingt vernünftig. Männer, bleibt hier, schützt Skollhaugen und die Leute. Mit Asgeir werde ich allein fertig.«
Astrid eilte besorgt herbei. »Das kann auch eine Falle sein. Was, wenn er nicht allein ist?«
»Ich werde mit ihnen allen fertig. Ich muss Viviane retten.« Mit großen Schritten rannte er den Berg hinauf. Das Blut hämmerte in seinen Schläfen, sein Atem ging stoßweise, und die Angst um Viviane legte sich wie ein eiserner Reif um seinen Brustkorb. Schon von weitem sah er die buckelige Gestalt von Asgeir am Rand des Wasserfalls stehen, mit Viviane, der er ein langes Messer an den Hals hielt.
»Hier, schau her, du blonder Wikinger«, krähte Asgeir. »Schau her, was ich mit deiner rothaarigen Hure mache. Dachtest du, mit ihr könntest du lauter kleine Wikinger-Söhne zeugen? Uns wieder übertreffen wollen, hm? Skollhaugen darf nie wieder auferstehen. In die Unterwelt mit dir und deiner Sippe!«
»Lass Viviane los, sie hat dir nichts getan«, rief Thoralf und drohte mit dem gezogenen Schwert. »Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet?«
Asgeir lachte höhnisch. »Was für ein Unheil? Die Welt ist wieder bereinigt worden. Oder dachtest du, ich diene dir als Knecht auf Grondalr, wenn du Gunnardviga heiratest? Jetzt gehört Grondalr mir. Ich bin reich, viel reicher als du, und Gunnardviga will nichts von dir wissen.«
»Du hast keine Ehre im Leib, Asgeir Eiriksson! Niemand wird dich achten, egal, wie reich du bist.«
»Pah, Ehre! Was ist schon Ehre gegen pures Gold? Das kann man anfassen, das ist wertvoll, davor haben alle Respekt. Du hast es doch auch bloß geraubt, so wie ich es dir geraubt habe. Pech gehabt, Thoralf Björgolfsson!«
»Behalte das Gold, aber gib Viviane frei!«
Asgeir riss Viviane zurück, dicht an den Abgrund heran. »Bleib stehen und lass dein Schwert fallen, sonst werfe ich diese Sklavin den Wasserfall hinunter.«
Thoralf blieb stehen. »Höre, Asgeir, ich schlage dir ein Geschäft vor.«
»Ein
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