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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Vielleicht fand sie noch einige Überlebende, die sich retten konnten. Sie fuhr herum und wollte losrennen, doch eine Hand verkrallte sich in ihrem Haar und hinderte sie daran. Mit einem leisen Klagelaut sank sie in die Knie.
    »Wohin will die Füchsin laufen? Hat sie Angst vor dem Wasser?« Es war der hünenhafte Anführer der Wikinger. Mit gutmütigem Spott bedachte er ihr vergebliches Bemühen, vor ihm zu flüchten. In Vivianes Herz flackerte es. Fast war sie geneigt, ihm so etwas wie Vertrauen entgegenzubringen. Doch sie war sich nicht sicher, ob er es wirklich ehrlich meinte. Vielleicht war es nur die Arroganz des Siegers, die er an den Tag legte. Er war ein Räuber und Mörder, das durfte sie niemals vergessen.
    Viviane fühlte plötzlich, wie sie von kräftigen Armen hochgehoben wurde. »Glaub ja nicht, dass ich dich einfach entfliehen lasse«, lachte er und schritt mit seiner Beute ins Wasser. So gelangte Viviane als Einzige trockenen Fußes zu den Drachenbooten. Sie wusste nicht, warum ihr diese Sonderbehandlung zuteilwurde, und sie empfand sie auch nicht als Privileg. Der Wikinger warf sie kurzerhand über die Bordwand, und sie kullerte ins Boot hinein. Die Männer nahmen an den Ruderbänken Platz. Die Gefangenen wurden im vorderen Teil zusammengepfercht. Auch Viviane bekam einen Tritt ab und kroch nach vorn. Niemand kam auf die Idee, ihr Fesseln anzulegen. Es hatte auch keinen Sinn zu flüchten, denn ein Kommando ertönte, und die Männer griffen zu den Rudern. Mit geschickten Manövern entfernten sie sich vom Ufer. Viviane hob den Kopf und blickte über die Reling hinüber zum Land. Oben auf der Klippe stand die Kirche, unerschütterlich und erhaben, als wäre nichts geschehen. Sie war ihrer Schätze beraubt und nur noch eine leere Hülle. Am Hang grasten versprengt die restlichen Schafe der Herde, die sich vor den Eroberern retten konnten. Von den Hütten des Dorfes waren nur noch verkohlte Ruinen übrig geblieben, aus denen noch immer dünne Rauchfahnen emporstiegen.
    Der Nebel über dem Meer lichtete sich. Unter rhythmischen Ruderschlägen glitten die Drachenboote dem Horizont entgegen, während sich am Strand die Hunde mit den Möwen um die Reste des Hammels stritten.
    Viviane legte den Kopf auf die harten Planken, die dunkel und rauh und vom Salz des Wassers zerfressen waren. Und doch schossen die Boote schnell und zielsicher durch die Wellen. Der Steuermann hatte das Segel hissen lassen, und der Wind fuhr hinein. Das Segeltuch knatterte und blähte sich auf. Viviane ahnte, warum die Wikinger die Schrecken der Meere waren. Ihre Boote gaben ihnen die Kraft und Wendigkeit. Die unheimlichen Drachenköpfe am Bug verbreiteten, wo immer sie auftauchten, Schrecken bei den Küstenbewohnern.
    Eine bleierne Schwere übermannte sie und tiefe Resignation. Von diesem Boot war eine Flucht unmöglich. Die einzige Möglichkeit war der Freitod. Und selbst da war sie sich nicht sicher, dass sie der Anführer nicht wieder aus dem Wasser herausfischen lassen würde.
    Ihr Blick wanderte zu ihm hin. Er stand breitbeinig am erhöhten Heck des Bootes. Der Wind zauste seine blonden Locken, während er aufmerksam den Horizont beobachtete. Doch die drei Drachenboote waren allein auf dem Meer. Die Küste lag als schmaler dunkler Streifen da, als versinke sie im Meer. Mit ihr versanken Vivianes Erinnerungen. Sie fühlte sich, als wäre eine Lebensader durchschnitten. Und dieser Mann, der dort so überlegen und selbstsicher, ja herrisch und unerschütterlich stand, war schuld daran.
    Zorn keimte in ihr auf und Hass. Er war die Verkörperung ihres Feindes, er stand für all seine rauhen Gesellen, die ihm bedingungslos gehorchten und seine Befehle ausführten. Sie presste die Augen zu engen Schlitzen zusammen und ballte ihre Fäuste. Mehr konnte sie nicht tun. Wie hatte sie nur einen Augenblick lang zu ihm irgendeine Art von Vertrauen empfinden können!
    Sie versuchte, eine halbwegs erträgliche Lage einzunehmen, was auf dem Boot nicht ganz einfach war. Den besten Schutz hatte sie im Windschatten des hochgezogenen Bugstevens, der die gleiche Höhe hatte wie das geschwungene Heck. Gleich neben ihnen saßen die ersten Ruderer auf ihren schmalen Holzbänken. Viviane bekam einen Tritt in den Rücken und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen. Die Gefangenen duckten sich und drängten sich zusammen, um dem unangenehmen Wind ein wenig zu trotzen. Viviane schob sich zu ihnen heran und überlegte, ob sie ihnen die Fesseln lösen sollte.

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