Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
sie konnte sie nicht unterdrücken. Sie hatte Angst vor den Wikingern, sie hatte Angst vor der Zukunft, sie hatte Angst um die Gefangenen. Ihnen allen stand ein schreckliches Schicksal bevor. Und sie würde ihr kleines Dorf auf der Insel nie wiedersehen.
    Sie legte den Kopf auf die Planken und ließ ihren Tränen freien Lauf. Es war gleichgültig, sie musste nicht so tun, als sei sie stark. Ihr war jämmerlich zumute. Das Schaukeln des Bootes verstärkte noch ihr Unbehagen. So schloss sie die Augen in der Hoffnung, dass sie in eine dunkle Welt des Vergessens abtauchen konnte. Doch ihre Sinne waren seltsam geschärft und achteten auf jedes Geräusch.
    Die Stimmen der Männer wurden lauter, sie ruderten schneller, und immer wieder war ihr kehliges Lachen zu hören. Vorsichtig hob Viviane den Kopf. Die Neugier war jetzt stärker als Angst und Verzweiflung.
    Voraus am Horizont war Land zu sehen. Es war flach, grün, mit einem hellen Sandstreifen davor. Vereinzelt standen reetgedeckte Fischerhütten. Dann kam eine kleine Bucht in Sicht, in der viele Drachenboote vor Anker lagen.
    Viviane hatte keine Ahnung, was für ein Land das war. Es sah anders aus als ihre Heimat, und diese Boote … Es musste das geheimnisvolle Land der Wikinger sein.
    Thoralf ließ die Segel einholen. Das Boot verlangsamte seine Fahrt. Jetzt glitt es parallel zum Ufer nach Norden. Sie steuerten in die Bucht mit den vielen Booten. Hier mündete ein Fluss ins Meer. Dort hinein schob sich der Bug des Schiffes mit dem Drachenkopf. Weiter vorn erkannte Viviane eine sandige Halbinsel, die sich aus dem sie umgebenden Wasser erhob. Auf diesem Hügel befand sich ein größerer Ort. Eine Stadt?
    Viviane hatte noch nie mehr Häuser als die in ihrem Dorf gesehen. Was sich hier ihren Augen bot, war schier unglaublich. Niemand würde ihr das glauben, wenn sie davon erzählte. Aber wem sollte sie es erzählen?
    Am Ufer des Flusses, den sie hinauffuhren, winkten ihnen die Menschen zu. »Ho, ho, Thoralf! Hast du reiche Beute gemacht?«
    »Ho, ho, lass dich überraschen und komm auf den Markt«, rief Thoralf lachend zurück. Alle schienen plötzlich bester Laune zu sein.
    Das Drachenboot wurde immer langsamer und legte schließlich an einer hölzernen Mole an. Die beiden anderen Boote folgten ihnen. Viviane schien, als wenn dieser Platz extra für die drei Schiffe freigehalten worden sei.
    Und dann plötzlich wurde es unruhig. Planken wurden an die Bordwand gelegt, halbnackte Tagelöhner und Ladeknechte sprangen an Deck, packten die Ladung und trugen die Bündel auf gebeugten Rücken hinab. Einer der stämmigen Wikinger-Männer brüllte die Gefangenen an und zwang sie mit Fußtritten zum Aufstehen. Viviane schien, es war derselbe, der sie am Strand ihres Dorfes hätte bewachen müssen. Die Rüge seines Anführers schien gewirkt zu haben. Er wollte seinen Fehler wiedergutmachen und wachte nun wie ein Falke über die Gefangenen. Auch wenn Viviane als Einzige nicht gefesselt war, wagte sie dennoch keinen Schritt beiseitezuweichen. An der Anlegestelle wimmelte es von Menschen, die sie neugierig begafften. Einige fassten sie sogar an, als wollten sie sich von ihrer Qualität überzeugen. Die vielen Menschen ängstigten nicht nur Viviane. Die Kinder begannen wieder zu weinen, Frauen klagten, und auch die Männer stimmten in das Lamento ein. Das konnte aber die Wikinger nicht erweichen. Sie trieben die Gefangenen vor sich her durch die Gassen der seltsamen Siedlung. Für einen Moment drehte sich Viviane noch einmal nach den Drachenbooten um. Sie schaukelten sanft und nickten mit ihren Bugköpfen wie Pferde auf der Weide. Es war ein Abschied für immer. Jetzt begriff Viviane endgültig, dass sie ihr Dorf, ihre Insel, ihre Heimat nie wiedersehen würde.

[home]
Ribe
    A n beiden Seiten der schmutzigen Straße zogen sich primitiv gebaute Buden aus Holz und Segeltuch dahin, in denen Handwerker ihre Waren herstellten und verkauften. Sie blickten kaum auf, als die Wikinger ihre Gefangenen durch diese Gasse trieben. Lediglich Thoralf grüßten sie ehrerbietig und hochachtungsvoll. Es gab auch Frauen, die Ware feilboten und die Thoralf scherzend etwas zuriefen. Er antwortete ihnen lachend. Thoralf schien hier sehr bekannt zu sein.
    Viviane hatte kaum Zeit, all die neuen und fremdartigen Eindrücke aufzunehmen. Gemeinsam mit den anderen Gefangenen wurde sie geschubst und gestoßen und zum Ende der Gasse getrieben, die sich zu einem halbrunden, schmutzigen Platz hin öffnete. Hier

Weitere Kostenlose Bücher