Wogen der Liebe
diese Göttin«, forderte sie Raudaborsti auf. Doch die Kleine schüttelte den Kopf. »Viel mehr weiß ich auch nicht. Frag Oleif, der lauscht immer den Skalden und weiß viel über die Göttersagen. Mir reicht es, wenn mir die Götter helfen und mich keine Trolle und Alben heimsuchen.« Sie deutete zu der kleinen Öllampe über der Tür, die die bösen Geister fernhalten sollte.
Viviane beschloss, Oleif zu befragen. Der hockte hinter der Schmiede und arbeitete an einem Schwertgriff.
»Kannst du mir helfen?« Viviane setzte sich neben ihn. Oleif überlegte, dann warf er ihr einen verschmitzten Blick zu. »Kommt darauf an, wobei.«
»Erzähl mir von der Göttin Frigg.«
Oleif hob verwundert die Augenbrauen. »Frigg? Willst du heiraten?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Weil Frigg … Also, was gibst du mir dafür?«
»Wofür? Dass du mir von der Göttin erzählst?«
Er nickte. »Es hat ja einen bestimmten Grund, dass du nach Frigg fragst. Odin beschützt dich, und Thor auch.« Er tippte auf den hammerförmigen Anhänger an Vivianes Hals.
»Sicher, sicher, und ich bin dir auch sehr dankbar für diesen Talisman. Aber ich benötige eine ganz spezielle Hilfe. Raudaborsti meinte, die Göttin könnte mir helfen.«
Oleif kniff die Augen zusammen. »Eine ganz spezielle Hilfe?« Er grinste über das ganze Gesicht. »Ich ahne es.«
»Also hilfst du mir?«
Er zeigte auf den Bierkrug. »Dafür gern.«
Viviane zuckte zurück. »Den wollte ich Frigg opfern, damit sie mir meinen Wunsch erfüllt.«
Oleif schob die Unterlippe vor. »Frigg ist die Beschützerin der Ehe und Mutterschaft. Nun ja, also, ich wünsche dir alles Gute für dein … dein Kind. Ich … ich hatte gehofft …« Er schluckte schwer.
Viviane benötigte einen Augenblick, um Oleifs Worte zu begreifen. »Nein, nein, das verstehst du falsch. Ich wollte Frigg bitten …«
»Ist schon gut«, unterbrach er sie mit erstickter Stimme. »Sie wird dir schon helfen.«
Viviane streckte ihm den Bierkrug entgegen. »Hier, nimm ihn. Und erzähl mir mehr über Frigg.«
Zögernd nahm Oleif das Bier entgegen, dann trank er einen tiefen Zug daraus. Nachdenklich leckte er sich die Lippen ab. »Also gut, wenn du unbedingt willst. Frigg ist Odins Gemahlin und zeugte mit ihm die Götter Baldur und Hösur und Hermor. Ach ja, und sie wohnt in Asgard im Fensal, dem Sumpfsaal. Um zu ihr zu beten, solltest du in einen Sumpf oder an einen sumpfigen See gehen. Sie beschützt die Ehe und die Mütter und verhilft wohl auch zur Mutterschaft, wenn man ganz besonders darum bittet. Man kann sie auch darum bitten, dass sich jemand in einen verliebt.«
»Man kann sie um Liebe bitten?«
Oleif grinste wieder. »Möchtest du denn, dass sich jemand in dich verliebt? Vielleicht ist es schon geschehen, und du brauchst Frigg gar nicht zu opfern. Es sei denn, du willst schwanger werden.«
Viviane ließ den Kopf sinken. »Nein, das alles ist es nicht. Ich verstehe nicht, warum Raudaborsti sagte, ich solle zu Frigg beten. Ich will einen Stoff weben …«
»Ah, ich erinnere mich, Frigg soll die Wolken gewebt haben. Mit Weben kennt sie sich aus.«
Viviane fuhr hoch. »Das ist es! Danke, Oleif!« Sie packte seinen Schopf und presste ihm einen Kuss auf die Wange. »Das Bier kannst du behalten. Ich bekomme morgen eine neue Ration, die werde ich Frigg opfern. Wo liegt der See, der ihr geweiht ist?«
Oleifs Kopf verfärbte sich zu dunklem Rot. »Bei Thors Hammer, das ist eine Überraschung. Viviane, du bist wirklich ein liebes Mädchen. Ganz lieb … Also, du gehst auf die andere Seite des Fjords, über den Berg, über die Wiesen, in den Wald …«
»In den Wald?«, rief Viviane erschrocken.
»Der See liegt mitten im Wald, in einer Senke, rundum wächst Farn, und es blubbert aus dem Boden. Also, unheimlich ist es schon, und manchmal tanzen Nebel über dem Wasser. Ich selbst war noch nicht dort, aber vielleicht sollte ich …?«
»Raudaborsti meinte, ich muss es allein tun, nur dann geht meine Bitte in Erfüllung.«
»Götter sind launisch, Göttinnen noch mehr«, erwiderte Oleif. »Versuch es. Ich wünsche dir Glück.«
Viviane sprang auf, und Oleif bedauerte, dass sie ihn nicht noch einmal auf die Wange geküsst hatte. Aber das würde sie sicher nachholen, wenn Frigg ihr die Bitte erst erfüllt hatte.
»Ich muss es allein tun, ich muss es allein tun«, murmelte Viviane vor sich hin, als sie am nächsten Tag mit einem Krug voll Bier auf der Schulter auf die andere Seite des Fjords
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