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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Gesicht wollte ihr nicht erscheinen. Sie streckte die Hände in der Dunkelheit aus, als könne sie ihn ertasten. Doch da war nichts.
    Sie griff nach dem Anhänger unter ihrem Kittel. Mit Wehmut dachte sie an Oleif, der ihr gewünscht hatte, dieser kleine Anhänger möge ihr Glück bringen. Wie anders war doch alles gekommen. Hieß das, die alten Götter besaßen keine Macht mehr?
    Doch auch ihr Gott schien sie vergessen zu haben. Vielleicht hatte er im Land der Wikinger keine Macht.
    Viviane legte sich hin, zog sich die klamme Wolldecke über die Schultern und suchte Vergessen im Schlaf.
     
    Sie schreckte hoch, als die Tür aufgerissen wurde und grelles Tageslicht hereindrang. Sie musste lange geschlafen und den Lärm draußen überhört haben. Der Wächter fuhr sie an: »Los, steh auf und komm raus! Du wirst schon erwartet.«
    Für einen winzigen Moment keimte in Viviane ein Funke der Hoffnung auf, Thoralf sei zurückgekehrt. Sie stolperte ins Helle und blickte sich blinzelnd um. Auf dem Hof wimmelte es von Menschen und Pferden. Ihr Herz schlug höher. Endlich, endlich hatten Gott oder Thor oder Odin sie erhört!
    An den prachtvollen Decken der Pferde erkannte sie den hohen Besuch. Es musste Fürst Ragnvald mit seinem Gefolge sein. Auch eine Sänfte stand vor dem Haupthaus. Wenn Gunnardviga hier war, dann war Thoralf …
    Der Wächter stieß sie unsanft vorwärts. Mehrere Knechte erwarteten sie schon, alle mit ausdruckslosen Gesichtern. Es bedeutete nichts Gutes. Einer packte sie und fesselte ihre Handgelenke mit einem groben Strick. Björgolf Einbein kam aus dem Haus gehumpelt und blieb vor Viviane stehen.
    »Das Thing hat sich zusammengefunden, das Thing hat beraten, Björgolf, der Hohepriester seines Volkes, hat Recht gesprochen. Du, Sklavin Viviane, hast dich mehrerer Verbrechen schuldig gemacht, die den Unmut der Götter auf uns gezogen haben. Um die Götter zu versöhnen, werden wir ihnen dich als Opfer bringen.«
    Er wandte sich ab und ließ sich auf sein Pferd helfen. Ihm folgten Fürst Ragnvald mit seinem Sohn Hoskuld, begleitet von seinem Freund Sven, Asgeir und Gunnardviga in der Sänfte. Astrid, die Schwestern und beinahe das gesamte Gesinde vom Hof folgten ihnen zu Fuß. In einer langen bunten Schlange glichen sie einer Prozession, und nichts anderes war es. Viviane wurde an ihren gefesselten Händen hinter Björgolf hergezerrt. Finster dreinblickende Wächter flankierten sie an beiden Seiten.
    Der Zug kam nur langsam vorwärts, doch niemand schien Eile zu haben. Seltsame Gesänge begleiteten den Marsch, unterbrochen von wüsten Ausrufen. Dabei rissen die bewaffneten Männer ihrer Schwerter, Äxte oder Speere hoch, als wollten sie damit ihre drohenden Schreie noch abschreckender machen.
    In Serpentinen wand sich der Menschenwurm am jenseitigen Ufer des Fjords hinauf. Es war der gleiche Weg, den Viviane auf der Suche nach Yngvar gegangen war. Viviane ahnte, in welches Moor sie geführt werden sollte, und schauderte. Auf der Höhe des Ufers warf sie einen verzweifelten Blick zurück. Da lag Skollhaugen, fest, unerschütterlich, schicksalsschwer. Es hätte ihre neue Heimat werden können. Der kleine Funke Hoffnung, Thoralf sei zurückgekommen, war erloschen, bevor er überhaupt richtig aufgeglommen war. Außer einigen Fischerbooten am Ufer lag der Fjord einsam und still zwischen seinen steinernen Wangen. Fast alle Bewohner von Skollhaugen hatten sich auf Björgolfs Befehl hin dem Zug angeschlossen. Dazu kam das zahlreiche Gefolge von Fürst Ragnvald und von Gunnardviga. Yngvar befand sich aus verständlichen Gründen nicht unter ihnen, auch Raudaborstis roten Schopf konnte Viviane nicht entdecken. Es war schon verwunderlich, welche Aufmerksamkeit ihre Verurteilung erregte. Wahrscheinlich war einfach eine Abwechslung im grauen Einerlei des Winteralltags willkommen. Viviane erstaunte die starke Religiosität der Menschen, von Fürst Ragnvald bis hin zur niedrigsten Magd. Niemand schien Mitleid mit Viviane zu haben, niemand schien hierbei ein Unrecht zu empfinden. Im Gegenteil! Das Wohlwollen der Götter zu erringen konnte gerade jetzt im Winter nicht schaden. Auch die in ihrer Ehre verletzten Ragnvald, Asgeir, Hoskuld und Sven forderten Genugtuung. Dass sie dabei persönlich der Opferung beiwohnten, zeigte, wie tief sie sich von Vivianes Anschuldigungen entehrt fühlten. Der Frieden musste wiederhergestellt werden, ein Frieden, den Viviane gestört hatte.
    Plötzlich kam ihr dieser tödliche Entschluss mit

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