Wogen der Sehnsucht
nicht. Das war kein Instinkt. Das war Verzweiflung. Du bist der Mann, der das Wohl seines Bruders über sein eigenes gestellt hat. Deshalb hast du dein Studium aufgegeben, nicht wahr?“
Er nickte kaum wahrnehmbar, die Augen auf sie gerichtet. Lily sprach weiter, mit derselben sanften, hypnotischen Stimme: „Du bist der Mann, der sich um eine schwangere Frau am anderen Ende der Welt gekümmert hat, der für ein ganzes Dorf gesorgt und Leuten Hoffnung gegeben hat, deren Leben zerstört wurde. Du bist der Mann, der sein eigenes Leben riskiert hat, um ein Kind zu retten. Tristan, ich habe dich im Schlaf beobachtet …“, zum ersten Mal brach ihre Stimme, und sie ging auf ihn zu, „… und du hast diese Decke festgehalten, als hieltest du Emilia immer noch in deinen Armen. Selbst als du halb tot warst vor Erschöpfung, hast du instinktiv versucht, sie zu beschützen.“
„Das glaubst du?“
Auf seinem Gesicht stand ein so tiefer Schmerz, dass Lily ihre gesamte Selbstbeherrschung aufbieten musste, um sich nicht in seine Arme zu werfen und ihn zu küssen. Aber das konnte sie nicht tun. Noch nicht. Sie stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und zitterte vor Sehnsucht und Hoffnung.
„Ich weiß es, Tristan. Ich weiß, dass du nicht nur der Mann bist, mit dem ich den Rest meines Lebens verheiratet sein will, sondern auch, dass du ein unglaublich fantastischer Vater sein wirst.“ Sie holte tief Luft, und in ihren Augen brannten heiße Tränen. „Aber das bedeutet nicht, dass wir das tun müssen, Tristan. Es stimmt nicht, dass es das ist, was ich mir am meisten wünsche. Das ist es nicht. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich nicht immer noch Kinder haben möchte, aber nur mit dir.
Nur, wenn wir das zusammen tun, und wenn es nicht das ist, was du willst, dann reicht es mir, einfach nur mit dir zusammen zu sein, weil …“
Hier brach ihre Stimme, und sie senkte den Kopf, während Tränen über ihr Gesicht liefen. Einen Moment lang rührte sich keiner von ihnen, und dann spürte sie, wie Tristan ganz sanft die Hand unter ihr Kinn legte und ihr Gesicht zu ihm aufhob. In seinen blauen Augen brannten Leidenschaft und Schmerz.
„Weil was?“, fragte er rau.
„Weil ich dich so sehr liebe.“
Er blickte sie düster an und versuchte zu begreifen, was sie da sagte. „So sehr, dass du deinen Traum für mich aufgeben würdest?“
„Du bist mein Traum“, sagte sie. „Alles beginnt und endet mit dir. Und wenn wir eines Tages tatsächlich mal eine Familie haben sollten, dann wäre das … wunderschön. Aber wenn nicht, dann hätte ich immer noch mehr, als ich mir jemals hätte wünschen können.“ Sie hielt inne, und ihre Augenlider schlossen sich für eine Sekunde, fast so, als würde sie beten. „ Wenn ich dich hätte.“
Tristan stöhnte in hilfloser Sehnsucht auf. „Du hast mich. Oh, dios , Lily, du hast mich, für immer und ewig …“
Als er den Kopf beugte, um sie zu küssen, sah Lily die Tränen, die in einem hellen Pfad über seine schmutzigen Wangen liefen, und als seine Lippen ihre berührten, spürte sie, wie sie zitterten. Er küsste sie mit langsamer und zärtlicher Leidenschaft, die sich fast wie Ehrfurcht anfühlte. Seine Hände lagen um ihr Gesicht, sein Herz schlug an ihrem. Und dann, als sie beide schwer atmeten und seine Finger nass von ihren Tränen waren, legte er fest die Arme um sie und hielt sie einfach nur fest.
Eine lange Zeit später hob Lily den Kopf und blickte zu ihm auf. „Ist es falsch, glücklich zu sein, mitten in dieser ganzen Zerstörung?“
Tristan schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Es ist das einzig Richtige. Das Einzige, das einen Sinn ergibt. Nur dadurch können wir weitermachen. Und das werden wir, das verspreche ich dir. Das werden wir.“
Stärke und Sicherheit blitzten in den Tiefen seiner blauen Augen auf, die Lily so sehr liebte. Sie schmiegte sich wieder an ihn.
„Tristan, bitte …“, sagte sie leise, „halt mich noch mal fest. Lass mich nicht los.“
„Das werde ich nicht“, flüsterte er in ihr Haar. „Ich lasse dich nie wieder los.“
– ENDE –
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