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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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einem zittrigen Lachen. Ihr ganzer Körper pulsierte vor Sehnsucht. Durch das lange Stehen hatte die Kälte ihre Schuhe durchdrungen. Ihre Zehen fühlten sich ganz taub an. Sie stapfte mit den Füßen auf und betrachtete ehrfürchtig den prachtvollen Verlobungsring, drehte ihn hin und her und sah, wie sich das Licht in den Diamanten fing und den üppigen Smaragd betonte.
    »Er ist wundervoll. Genau so einen habe ich mir gewünscht. Wann erzählen wir es den anderen?«, fragte sie, während sich ihre Fingerspitzen vor Kälte röteten. An die Reaktion ihrer Eltern wollte sie lieber nicht denken.
    »Warum rufen wir Mum und Dad nicht noch vor meiner Abfahrt an?«, schlug Simon vor.
    »Und ich erzähle es Neddy. Seit Wochen hänselt er mich schon mit meinem ›feinen Pinkel‹. Wenn ich die Pferde gefüttert und alles für die Nacht vorbereitet habe, telefonieren wir mit meinen Eltern.« Sie spreizte die Finger und drehte die Hand in alle Richtungen. Dann drückte sie Simons Arm. »Du bist wirklich hinterhältig. Ich hätte nie gedacht, dass du einfach losgehst und einen Ring kaufst. Er sitzt wie angegossen.«
    »Du musst nicht alles wissen.«
    »Doch«, gab Jo glücklich zurück. Sie genoss das Gefühl des ungewohnten Gewichts des Rings an ihrem Finger. Langsam schlenderten sie zurück zu den Ställen.
    Rauch stieg einladend aus Neddys Kamin auf, und sie legten gemeinsam die letzten Meter zum Eingangstor der Orion-Ställe zurück. Offenbar brannte das Feuer noch, das Jo im Wohnzimmer angezündet hatte. Neddy wachte sicher gerade auf. Jo beschloss, ihm vor dem Abendessen ein Glas Milch mit einem Schuss Whisky zu bringen.
    Das hat er gern, dachte sie, als sie das Tor durchschritten. Sie hörte ein Scharren aus dem Stall und das Wiehern von Winny. Das Leben war wundervoll. Jo hatte große Pläne mit diesem Rennstall, denn sie konnte hier eine Menge bewirken. Lautes Gepolter riss sie aus ihren Gedanken. Die beiden jungen Leute blickten erschrocken auf, als Neddy aus dem Haus gehastet kam.
    »Jo«, rief er und wurde von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Jo rannte auf ihn zu, um ihn zu beruhigen und ihn zurück ins Warme zu bringen. Doch er wehrte sie mit hochrotem Gesicht ab und presste sich ein Taschentuch vor den Mund.
    »Telefon! Australien!«, keuchte er und schob Jo ins Haus, wo er sich, hustend und keuchend, von Simon in einen Sessel helfen ließ. »Sie sagt, sie ist Ihre Mutter.«
    Jos Herz machte einen Satz.
    »Kümmere dich um Neddy«, sagte sie zu Simon und eilte in das kleine Büro, das sie selbst eingerichtet hatte. Der Hörer des alten schwarzen Apparats lag auf einem Papierstapel.
    »Mum, bist du es?«, begann Jo. »Ich wollte dich heute sowieso anrufen. Oh, Mum, du und Dad, ihr fehlt mir. Aber ich bringe wundervolle Nachrichten. Simon und ich haben uns verlobt.«
    Jo wurde angesichts der Panik in Ninas Tonfall ganz blass. Entsetzt versuchte sie, dem hysterischen Gestammel ihrer Mutter zu entnehmen, worum es eigentlich ging.
    »Ich komme sofort nach Hause, Mum«, erwiderte sie leise. »Ich liebe dich. Richte Dad aus, dass ich ihn auch liebe.«
    Sie hörte ein Klicken. Die Verbindung war unterbrochen. Langsam legte sie den Hörer zurück auf die Gabel. Dann saß sie mit aschfahlem Gesicht auf der Kante des Schreibtischs und starrte ins Leere. Gefolgt vom immer noch heftig hustenden Neddy, kam Simon hereingelaufen.
    »Was wollte sie, Liebes?«, fragte er, besorgt angesichts ihrer Blässe. Mit wenigen Schritten durchquerte er den Raum, kniete sich neben sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. Jo rang nach Worten.
    »Beruhige dich«, flüsterte Simon.
    »Es geht um Dad …«, stieß Jo schließlich hervor. »Er hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus … Vielleicht überlebt er es nicht … Ich muss nach Hause. Oh, mein Gott!« Sie presste das Gesicht an Simons Brust und weinte bitterlich.

Dritter Teil

16
    An Bord der Boeing 747 nach Sydney und eingeklemmt zwischen einem übergewichtigen Geschäftsmann und einem geschwätzigen Neuseeländer, vergrub Jo sich in ihrer Zeitschrift und gab vor, zu lesen. Die Worte ihrer Mutter wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf. Kurz vor der Abreise hatte sie zu Hause angerufen, um ihre Flugdaten durchzugeben, und war überrascht gewesen, wie ruhig und vernünftig, ja, fast gefühllos, Nina auf einmal klang. Dad lag immer noch auf der Intensivstation im Koma. Er und sein Stallmeister Mick waren auf der Rückfahrt von Queensland auf einer Nebenstraße unterwegs

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