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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Tränen über die Wangen liefen.
    »Ich liebe dich, Dad. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr«, stieß sie hervor. »Du musst wieder gesund werden.«
    Um sie herum eilten Krankenschwestern hin und her, um die anderen in Lebensgefahr schwebenden Patienten zu versorgen. Jo fühlte sich fremd. Die Mitte des Raums wurde von einer Geräteinsel mit Monitoren beherrscht, um die herum fächerförmig die Betten angeordnet waren. Je eine Schwester kontrollierte ein Beatmungsgerät. Nina kehrte zurück und ließ sich erschöpft neben Jo auf einen Stuhl fallen.
    »Diese Ärzte sollten eigentlich wissen, was sie tun. Aber der, mit dem ich vorhin gesprochen habe, konnte nicht einmal die einfachsten Fragen beantworten, und die Schwestern sind auch nicht besser. Dabei habe ich mich nur erkundigt, wie lange er noch so daliegen wird«, flüsterte Nina trotzig.
    Sie beugte sich zu Jo hinüber und knetete ihr Taschentuch zwischen den Händen.
    »All diese Apparaturen … da möchte man doch meinen, dass sie einem eine Auskunft geben können … Und dann werfen sie ständig mit medizinischen Fachausdrücken um sich, von denen ich die Hälfte gar nicht verstehe. Ich wünschte, die Schwester von gestern wäre hier. Mit der konnte ich wenigstens reden.« Sie tupfte sich die Augenwinkel ab.
    »Was hat der Arzt gesagt?«, fragte Jo. Sie ließ die Hand ihres Vaters los, um die ihrer Mutter zu drücken.
    »Dasselbe wie immer: In diesem Stadium könne man sich nur schwer festlegen. Wir müssten Geduld haben und abwarten, ob er Fortschritte macht«, stieß Nina hervor. »Geduld? Wie kann ich Geduld haben? Die Ärzte verschweigen mir etwas, da bin ich ganz sicher.«
    Nina hielt inne, und ihre Augen weiteten sich ängstlich, als sich eine Schwester mit raschelnder Tracht näherte. Sie überprüfte Charlies Pupillen, indem sie die Augenlider anhob und mit einer kleinen Taschenlampe hineinleuchtete. Dann ersetzte sie den fast leeren Infusionsbeutel durch einen vollen.
    »Ein schönes, gesundes Mittagessen für Sie, Mr Kingsford«, verkündete sie fröhlich, nachdem sie die Fließgeschwindigkeit im Schlauch kontrolliert hatte. Sie lächelte Nina und Jo rasch zu und eilte davon.
    »Sie tun sicher ihr Bestes, Mum«, meinte Jo und bemühte sich, überzeugend zu klingen. »Dad wird bestimmt wieder gesund. Schließlich lässt er sich nie unterkriegen.«
    Sie lächelte gezwungen.
    »In ein paar Tagen wird er sich aufsetzen, und dann werden wir alle darüber lachen.«
    Ihre Worte hörten sich auf tragische Weise vertraut an. Nina presste die Lippen zusammen und entzog Jo ihre Hand. Jo sah die Panik in ihrem Blick.
    »Was soll ich tun, Jo? Ich habe solche Angst. Seit drei Tagen liegt er so da. Ohne Charlie komme ich nicht zurecht. Er ist mein Leben. Dein Vater ist der einzige Mann, mit dem ich je zusammen gewesen bin. Er hat alles in unserer Ehe geregelt. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    Jo lauschte entsetzt, als ihre Mutter über die Ängste sprach, die sie seit dem Unfall ausstand. Sie sah ihre Zukunft in den düstersten Farben, vertraute Jo intime Einzelheiten ihrer Ehe an und gestand ihr, sie habe ein schlechtes Gewissen, weil sie seine Liebe zu Pferden nie habe verstehen können. Noch nie hatte Jo ihre Mutter so hilflos und verschüchtert erlebt. Es erschütterte sie bis ins Mark.
    »Mum, Dad würde nicht wollen, dass wir so reden«, flüsterte sie, während ihr die Angst die Brust zuschnürte.
    Alles war ihr recht, um den Redefluss zu stoppen und ihre Mutter von ihren finsteren Gedanken abzubringen, damit sie sich der Wirklichkeit stellte.
    »Von ihm würden wir sicher Sprüche wie ›Reißt euch zusammen, Mädels. Denkt positiv. So schnell werdet ihr mich nicht los, und außerdem muss ja jemand die Pokale gewinnen‹ hören. ›Habt ihr euch auch um die Ställe gekümmert?‹, würde er fragen«, sprach sie weiter, erleichtert, dass ihre Mutter nicht mehr so niedergeschlagen wirkte. »Hast du das, Mum? Hast du mit Gloria gesprochen?«, fügte sie hinzu.
    »Verschone mich mit Ställen und Pferden«, rief Nina mit schriller Stimme und wildem Blick.
    Jos Worte hatten einen wunden Punkt getroffen. Und nun richtete sich Nina, die drei schlaflose Nächte hinter sich hatte und nicht mehr klar denken konnte, in ihrer Hilflosigkeit und Trauer gegen ihre Tochter.
    »Hat es denn nicht gereicht, dass ich Rick verloren habe, weil ihr beide es nicht lassen konntet, auf diesen grässlichen Tieren herumzureiten? Und jetzt Charlie … Ich wollte ihn

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