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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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gewesen, als plötzlich ein Lastwagen aus einer Einfahrt geschossen war und sie von der Fahrbahn gedrängt hatte. Mick war sofort tot gewesen; Dad musste man aus dem Fahrzeug herausschneiden. Ein Farmer fand sie. Dad hatte Kopfverletzungen erlitten und vermutlich auch Schäden am Rückenmark davongetragen. Das Ausmaß der Verletzungen würde erst festzustellen sein, wenn er aus dem Koma erwachte – falls es überhaupt je dazu kam. Jo lehnte sich zurück und schloss die Augen. Tränen brannten hinter ihren Lidern, und die Trauer schnürte ihr die Kehle zu. Vielleicht starb er, während sie im Flugzeug festsaß. Die Stewardess zog die Fensterabdeckungen herunter und dämpfte die Kabinenbeleuchtung. Jo wischte sich die Tränen ab. Sie zog die Decke bis zum Kinn. Bei dem Gedanken an den langen Flug, der vor ihr lag, wuchs ihre Niedergeschlagenheit. Allerdings blieb ihr nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben und abzuwarten.
    Müde stieg sie nach langen Stunden aus dem Flugzeug und hatte endlich wieder australischen Boden unter den Füßen. Den vertrauten Anblick und die Geräusche ihrer Heimat empfand sie im ersten Moment als tröstend. Doch welch ein himmelweiter Unterschied war das zu der triumphalen Rückkehr, die sie sich immer ausgemalt hatte!
    Nach einer weiteren endlosen Warterei konnte sie schließlich ihre Koffer vom Förderband nehmen und auf einen Gepäckwagen wuchten. Sie durchquerte den Ankunftsbereich und betrat den Hauptterminal des Kingsford-Smith-Flughafens, wo sie mit nervösen Blicken die Menschenmenge absuchte, die sich hinter der Absperrung drängte.
    Sie entdeckte Bertie, schob sich ungeduldig an unentschlossen herumstehenden Fluggästen vorbei und bahnte sich einen Weg durch die Wartenden.
    »Hallo, Schwesterherz«, sagte Bertie.
    Ohne darauf einzugehen, wie sehr sie diesen Kosenamen hasste, fiel Jo ihm um den Hals.
    »Ist Dad …?«, fragte sie, das Gesicht an seine breite Schulter gepresst.
    »Er liegt noch auf der Intensivstation im Koma. Mum ist bei ihm«, erwiderte Bertie rasch und in sachlichem Ton. Er wollte keine Gefühle zeigen.
    Jo, die überzeugt gewesen war, dass Bertie ihr den Tod ihres Vaters melden würde, konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen der Erleichterung über die Wangen strömten.
    »Dann gibt es also eine Chance …«, sagte sie und wich zurück. Rasch wischte sie sich mit den Handflächen die Tränen weg und kramte nach einem Taschentuch.
    Bertie ließ die Schultern hängen.
    »Die Ärzte sagen, es ist noch zu früh, um etwas sagen zu können. Wir müssen abwarten.«
    »Wie kommt Mum damit klar?«, erkundigte sich Jo, putzte sich die Nase und steckte das Taschentuch wieder ein.
    Bertie bot mit seinem blassen Gesicht, den dunklen Schatten unter den Augen und den für ihn untypischen heruntergezogenen Mundwinkeln ein Bild des Elends.
    »Nicht sehr gut. Joan Ellis leistet ihr Gesellschaft, seit es passiert ist«, antwortete er und hatte Mühe, seinen Tonfall zu beherrschen.
    Joan war die Frau von Jack Ellis, Charlies bestem Freund. Die beiden Ehepaare standen sich seit mehr als zehn Jahren sehr nah.
    »Möchtest du erst nach Hause, um dein Gepäck loszuwerden und dich umzuziehen? Oder sollen wir sofort ins Krankenhaus fahren?«
    »Ins Krankenhaus«, erwiderte Jo wie aus der Pistole geschossen. Sie musste sich sehr beherrschen, als sie, begierig, endlich ihren Vater zu sehen, den Gepäckwagen in Richtung Ausgang steuerte. Sie hatte ihm so viel zu sagen. Warum erkannte der Mensch das immer erst in Situationen wie dieser? Zumindest würde sie sich nicht allein mit ihrer Mutter auseinandersetzen müssen. Joan Ellis war einer der vernünftigsten Menschen, die Jo kannte, und außerdem an Ninas rasche Stimmungsumschwünge gewöhnt.
    Beim Betreten des Krankenhauses schlug Jo der Geruch von Desinfektionsmitteln entgegen. Es herrschte die übliche gedämpfte Stimmung, die ihr Beklemmungen verursachte. Ein leeres, kaltes Gefühl machte sich in ihr breit, als sie in den Aufzug stieg, schweigend abwartete, bis sie die richtige Etage erreicht hatten, und dann hinaushastete. Sie folgte der gelben Linie auf dem Boden bis zur Intensivstation, wo Bertie an einer doppelflügeligen Kunststofftür läutete. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen.
    Eine Krankenschwester erschien.
    »Zu Mr Kingsford? Sind Sie Verwandte?«, wollte sie wissen.
    »Ich bin seine Tochter, und das hier ist mein Bruder«, erwiderte Jo und betastete ihren Verlobungsring.
    Simon und ihr gemeinsames

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