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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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entschlossen, zu einer Sitzung ihrer Wohltätigkeitsorganisation zu gehen.
    »Von Outsider habe ich dir noch gar nicht erzählt, Dad. Er ist das mutigste Pferd, dem ich je begegnet bin«, meinte Jo und streichelte Charlies Hand.
    Zumindest waren seine Augen inzwischen geöffnet. Sie hatte keine Ahnung, ob ihr Vater sie hören konnte, geschweige denn verstehen, was sie sagte. Dennoch sprach sie mit ihm und schilderte ihm ihre Beziehung zu diesem Pferd. Sie beschrieb, wie sie Outsiders Schulter heilte und sich dabei an alles erinnerte, was sie von ihm, Charlie, als Kind gelernt hatte. Wie aufgeregt war sie gewesen, als sie erfuhr, dass sie Outsider in Ascot betreuen durfte.
    »Es war einfach wundervoll. Ich hörte, wie die Zuschauer Outsider anfeuerten, als er über die Ziellinie galoppierte, und glaubte, ich müsste platzen vor Stolz«, fuhr sie mit kräftiger Stimme fort und ließ das ganze Rennen Revue passieren. »›Sicher empfindet Dad genauso, und darauf kommt es an‹, dachte ich. ›Man liebt seine Pferde, arbeitet mit ihnen und irgendwann erbringen sie eine großartige Leistung.‹«
    Sie kam sich ein wenig albern vor, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und wünschte sich nichts sehnlicher als eine Reaktion ihres Vaters. Seine Augen waren wieder geschlossen. Sie musterte ihn und fragte sich, ob er wohl je erfahren würde, wie sehr sie ihn bewunderte. Da quollen auf einmal kleine Tropfen aus seinen Augenwinkeln hervor und kullerten ihm langsam die Wangen hinunter. Jo erschrak und wusste nicht, was sie tun sollte. Dann überkam sie wie ein Blitzschlag die Erkenntnis: Er hatte jedes Wort verstanden.
    »Dad«, flüsterte sie bewegt. Sie beugte sich vor und wischte ihm ganz vorsichtig die Tränen von den Wangen. »Dad, ich liebe dich. Ich liebe dich über alles. Du wirst wieder gesund. Mum geht es gut, und sie liebt dich auch. Es dauert nicht mehr lange, dann wirst du aus diesem Krankenhaus herausspazieren.« Fest umfasste sie seine Hand und erzählte ihm von Simon und davon, dass sie heiraten wollten, sobald es Charlie wieder besser ging. Am nächsten Tag kaufte sie ihrem Vater einen neuen extravaganten Hut und legte ihn ihm auf den Schoß. Wieder weinte er, und auch Jo vergoss Tränen. Diesmal aber waren es Freudentränen, die ihr die Wangen hinunterliefen.
    Nach diesem Tag änderte sich das Leben im Hause Kingsford dramatisch. Aufgemuntert von dem Wissen, dass ihr Vater sie verstehen konnte, auch wenn er nicht in der Lage war zu antworten, empfand Jo die Besuche nicht mehr als so bedrückend. Sie nutzte sie, um ihm jede Begebenheit in den Ställen haarklein zu berichten. Wenn sie in sein Krankenzimmer kam, konnte sie jedes Mal eine kleine Veränderung zum Besseren feststellen, und in seinen Augen stand ein erwartungsvoller Blick, der zuvor nicht da gewesen war. Nach jedem Besuch fühlte sie sich besser.
    »Archie hat am Samstag in Rosehill drei Rennen gewonnen, und nächste Woche reitet er Titian Girl bei den Hindernisrennen in Villiers. Das sollte eigentlich klappen. Die Bahn war heute Morgen ziemlich schlammig, aber die Stute hat sich wacker geschlagen«, meldete sie Charlie erfreut an einem Tag Mitte Dezember.
    Jo ordnete einen riesigen Blumenstrauß in einer Krankenhausvase und stellte diese auf seinen Nachttisch. Darum herum drapierte sie die Schleifen, die Archie gewonnen hatte.
    »Ich weiß nicht, was ich ohne Archie machen würde. Er ist ein prima Jockey, und ich habe viel von ihm gelernt.«
    Seit Jos Rückkehr in die Ställe wurde sie von Archie, der seinen unverkennbar schottischen Akzent pflegte, rückhaltlos unterstützt. Morgens begleitete er sie stets zur Arbeit auf die Rennbahn, um sie zu beraten, empfahl ihr andere Jockeys und nahm ihr auch sonst viele der anfallenden Arbeiten ab, um ihr die Eingewöhnung zu erleichtern. Seine Treue zu Charlie beeindruckte sie. Anders als viele Jockeys, denen es nur darauf ankam, das beste Pferd zu reiten, entschied sich Archie, wenn zwei Tiere zur Wahl standen, selbst bei geringeren Siegeschancen stets für das aus der Kingsford Lodge. Ob das zu Gerüchten über seine Fähigkeiten als Jockey führte, kümmerte ihn nicht. Jo war ihm unbeschreiblich dankbar dafür, da er auf diese Weise die Abwanderung weiterer Pferdebesitzer verhinderte.
    Auch hatte es sich als ausgesprochen weise Entscheidung entpuppt, Pete zu ihrem Assistenten zu machen. Trotz seiner Jugend konnte er gut mit Menschen umgehen, und es gelang ihm, die Pferdebesitzer zu beruhigen, die wissen

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