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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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dem Hof. Rasch schlüpfte sie aus der Box, sah sich um und erkannte Hawk, den zwielichtigen Gesellen, der inzwischen fest als Bereiter bei ihrem Vater arbeitete. Jo mochte ihn nicht und traute ihm nicht über den Weg. Begleitet von zwei anderen Männern, die Jo noch nie gesehen hatte, führte er einen robust wirkenden Braunen aus einer Box.
    Jo beschloss, sich zu verstecken, blieb in einer dunklen Ecke stehen, beobachtete die Männer und belauschte ihr Gespräch, das deutlich zu verstehen war. Zunächst ging es nur um allgemeine Themen wie den Gesundheitszustand des Pferdes und die Rennen, bei denen es in nächster Zeit antreten sollte. Dann jedoch übertönte Hawks unverkennbares australisches Näseln die anderen Stimmen.
    »Es bringt Ihnen nichts, das Pferd noch länger hier unterzustellen«, sagte er, nachdem er sich rasch vergewissert hatte, dass niemand in Hörweite war. »Charlie wird sicher den Löffel abgeben. Und falls er durchkommt, sitzt er für den Rest seiner Tage im Rollstuhl. Wie ich erfahren habe, soll er außerdem weich in der Birne sein. Es heißt, er hätte sich seit dem Unfall nicht mehr bewegt. Nein, ich rate Ihnen, sich etwas Neues zu suchen. Schade, er war ein guter Trainer, und es ist wirklich eine Schande. Aber so ist das Leben. Bei Rosy sind Sie bestimmt besser aufgehoben.« Da er Jo das Profil zuwandte, sah sie, wie er sich an die Nase tippte.
    Im ersten Moment traute Jo ihren Ohren nicht. Doch als ihr die ganze Tragweite von Hawks Worten klar wurde, spürte sie, wie rasende Wut in ihr aufstieg. Hawk, der hinterhältige Mistkerl, für den es nichts Schöneres gab, als sich am Leid seiner Mitmenschen zu weiden; Hawk, der Bereiter, der es nie zum Jockey gebracht hatte, ermutigte die Pferdebesitzer dazu, der Kingsford Lodge den Rücken zu kehren. Jo hatte ohnehin nie verstanden, warum ihr Vater diesen Halunken überhaupt eingestellt hatte. Sie war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht mehr von langer Dauer sein würde. Da sie Hawk schlecht in Gegenwart der beiden Pferdebesitzer eine Szene machen konnte, wartete sie ab, bis er allein zurückkehrte. Inzwischen kochte sie vor Wut. Hawk schlenderte pfeifend und mit seiner Gerte knallend über den Hof. Als er Jos Versteck fast erreicht hatte, trat sie vor und stellte sich ihm in den Weg.
    »Was zum Teufel …«, schrie er, erholte sich aber rasch von seinem Schrecken. »Na, wenn das nicht das Töchterlein vom Boss ist«, höhnte er mit einem anzüglichen Grinsen und wich ihrem Blick aus. »Das mit Ihrem Dad tut mir leid«, fügte er hinzu.
    »Das ist das letzte Mal, dass Sie uns auf diese Weise schaden«, entgegnete Jo eiskalt. Ihre violetten Augen schimmerten beinahe schwarz.
    Hawk musterte sie abfällig.
    »Uns, wer ist denn uns? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, gab er mit einem selbstzufriedenen Grinsen zurück.
    »Das wissen Sie sehr wohl, Hawk«, zischte Jo und machte einen Schritt auf ihn zu.
    Aber Hawk verschränkte nur die Arme und musterte sie herablassend. Die Gerte baumelte lässig in seiner Hand, und er wippte unruhig mit dem Knie.
    »Das müssen Sie mir schon erklären, ich hab’s nämlich nicht verstanden«, erwiderte er in provozierendem Ton. Seiner Ansicht nach hatte es die Kleine schon lange nötig, dass jemand sie zurechtstutzte.
    »Sie haben den Mann vorhin dazu überredet, sein Pferd in einem anderen Stall unterzustellen«, herrschte Jo ihn an.
    Hawk verzog ärgerlich das Gesicht.
    »Halt, halt, halt! Sie sollten besser nachdenken, bevor Sie so schwere Vorwürfe gegen mich erheben. Ich habe dem Mann nur einen Rat gegeben. Einen Tipp, nach bestem Wissen und Gewissen. Er war nämlich nicht sehr zufrieden.«
    »Sie verlogener, betrügerischer Mistkerl. Ich habe jedes Wort gehört. Ein guter Tipp, dass ich nicht lache! Sie haben dem Mann klipp und klar gesagt, er solle seine Pferde anderswo unterbringen. Ich weiß nicht, warum Dad Ihnen je einen Job gegeben hat«, brüllte sie.
    »Ach, wirklich?«, unterbrach Hawk und trat drohend auf sie zu. »Seien Sie doch nicht so naiv, Kleine. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Ihr Vater je wieder aus dem Bett aufstehen und putzmunter weitermachen wird. Finden Sie sich damit ab, dass seine Zeit als Trainer ein für alle Mal vorbei ist. Dasselbe gilt auch für diesen Rennstall. Kein vernünftiger Mensch wird seine Pferde mehr hier unterstellen.«
    Jo roch, dass sein magerer Körper nach Schweiß und Zigarettenrauch stank. Am liebsten hätte sie

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