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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Alternative wäre gewesen, die Pudeldame anschließend noch einmal zu baden und zu föhnen, wozu Jo auch keine große Lust hatte.
    »Ach, eigentlich ist das nicht nötig, mein Kind. Geh nur mit Sam los«, erwiderte Nina und band ein Schleifchen fest. »Es bricht mir das Herz, wie er ständig jault und nach Rick sucht. Vielleicht beruhigt er sich ein wenig, wenn er am Strand rennen kann.«
    Sie drückte die Nase in das Fell des Pudels, damit man ihr ihre Rührung nicht ansah.
    »Und die kleine Suzie will sich schließlich die Pfötchen nicht nass machen, nicht wahr?« Sie fasste sich wieder, klopfte auf den Sitzplatz neben sich und rief nach ihrem ältesten Sohn. »Bertie, möchtest du Tante Dawn nicht etwas über dein Jurastudium erzählen?«
    Mit einem erleichterten Seufzer winkte Jo ihrer Großmutter zu und ergriff mit Sam die Flucht. Raschen Schrittes steuerten sie auf den Strand von Cogee zu, der nicht weit vom Haus entfernt lag. Sie wollte eine Weile allein sein. Sam trottete mit gesenkten Ohren hinter ihr her und blickte sich immer wieder nach seinem Herrchen um. Jo sah, wie der Hund um Rick trauerte, und spürte wieder einen Kloß im Hals.
    Seit dem Unfall bezog Sam jeden Morgen Posten an seinem Lieblingsplatz auf der Veranda, legte den Kopf zwischen die Pfoten und richtete seinen seelenvollen Blick auf das Tor, durch das Rick jeden Moment kommen musste. Außerdem jaulte er viel und fraß nichts – auch nicht, wenn Jo versuchte, ihn mit der Hand zu füttern. Als sie ihm einen alten Pullover gab, der nach Rick roch, wedelte er nur traurig mit dem Schwanz. Nachts ließ Jo Sam heimlich in ihr Schlafzimmer und setzte ihn wieder vor die Tür, ehe ihre Mutter aufwachte. Durch Jos Zuwendung war aus dem Jaulen allmählich ein leises Winseln geworden, und heute war Sam ganz ruhig. Es war fast so, als wisse er, dass endgültig Abschied genommen worden war.
    Jo stützte ihre Armschlinge mit der gesunden Hand und begann zu rennen, sobald sie den Strand erreichten. Die Nachmittagssonne glitzerte auf den Brandungswellen und brachte den salzigen Dunst über dem Wasser zum Flimmern. Jo streifte die Schuhe ab, krempelte ihre Jeans hoch und lief auf das dunkelblaue Wasser zu. Der goldene Sand unter ihren nackten Füßen fühlte sich erstaunlich kühl an. Platschend hüpfte sie durchs seichte Wasser, die Kälte ließ sie nach Luft schnappen. Sie tollte am Meeressaum entlang, umspült vom weißen Schaum der brechenden Wellen. Schon im nächsten Moment waren ihre glänzend nassen Fußabdrücke wieder verschwunden. Fast war Jo froh, dass ihre schmerzende Schulter sie von ihren trüben Gedanken ablenkte. Sam stand bellend im trockenen Sand und sah ihr zu.
    »Komm her, Sam«, rief Jo.
    Der Hund zögerte kurz und stürmte dann mit hochgerecktem Schwanz auf sie zu und ins Wasser. Jo stieß einen Schrei aus, als er ihre Jeans nass spritzte, und tätschelte sein tropfendes Fell. Sie rannte mit Sam an ihrer Seite einfach drauflos, nahm nichts weiter wahr als den Wind auf ihrem Gesicht und die Schreie der Möwen über sich. Nach einer Weile lief sie, keuchend vor Anstrengung, zurück auf trockenen Boden und ließ sich in den Sand fallen.
    Den goldglänzenden Sonnenuntergang am westlichen Horizont beobachtend, wurde sie erneut vom Schmerz und von der Trauer über Ricks Tod überwältigt. Mit gesenktem Kopf machte sie schluchzend ihren während des Tages aufgestauten Gefühlen Luft. Warum war das alles nur geschehen? Rick hatte doch völlig gesund gewirkt. Es gab keine Antwort, keine sinnvolle Erklärung. Jo spürte eine feuchte Schnauze im Gesicht und eine warme Zunge, die ihr die Tränen wegleckte. Sie hob den Kopf, streichelte Sam und wischte dabei die Tränen weg, die ihr weiter übers Gesicht liefen.
    »Ach, Sam, ich vermisse ihn so sehr. Ich wünschte, ich könnte ihn für uns beide wieder lebendig machen.« Sam schüttelte sich so heftig, dass sich ein Regen aus Sand und Wassertropfen über Jo ergoss.
    »Sam!«, rief Jo entsetzt. Ihre Schluchzer verwandelten sich plötzlich in Gelächter, als sie sich den Sand vom T-Shirt klopfte. Mit dem unverletzten Arm zog sie Sam an sich, umarmte den klatschnassen Hund und begann wegen seines spontanen Liebesbeweises erneut zu weinen. Sam leckte wieder ihr Gesicht. Dann machte er sich los, ließ sich hechelnd neben sie in den Sand fallen, wedelte hin und wieder mit dem Schwanz oder wandte den Kopf, um sich das Fell zu schubbern. Jo blickte auf das Meer hinaus, über dem sich der Horizont

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