Wohin der Wind uns trägt
Enttäuschung nach Waynes Bankrott fünf Jahre später. Seine Ehe hatte dem Druck des Schuldenberges nicht standgehalten; und so war Wayne allein nach Hause zurückgekehrt. Seine Frau hatte es nicht mehr ertragen, ständig am Rande des Ruins zu leben. Die Zwistigkeiten zwischen den beiden Brüdern flammten wieder auf. Doch als Mutter brachte Elaine es einfach nicht über sich, ihren leichtfertigen Ältesten im Stich zu lassen, auch wenn sie dafür eine Hypothek auf das Haus aufnehmen, die besten Pferde und schließlich sogar einen großen Teil von Dublin Park selbst verkaufen musste. Diese Trennung von dem Land, das seit 1865 zu dem Anwesen gehörte, hatte zum endgültigen Bruch zwischen den beiden Brüdern geführt. Und Elaine waren endlich die Augen aufgegangen.
Bob Comely, der Familienanwalt, hatte sie schließlich gerettet. Ohne seine Hilfe hätte sie, da war sie ganz sicher, wohl alles verloren.
Während sie Jos seidiges Haar streichelte, erinnerte sie sich bedrückt daran, wie der Anwalt mit ihr in Sids Arbeitszimmer gegangen war und sich viele Stunden Zeit genommen hatte, ihr alles zu erklären. Am Ende verstand sie, was Charlie ihr in seiner aufbrausenden Art schon seit Jahren begreiflich zu machen versuchte. Elaine befolgte Bobs Rat und bezahlte Waynes Schulden nicht mehr. Stattdessen bekam er von ihr nun ein Gehalt – allerdings nur unter der Bedingung, dass er sich auf dem Gestüt nützlich machte, bis seine Schulden abgearbeitet waren. Anschließend sollte er sich ein finanzielles Polster schaffen und eine neue Firma gründen. Weitere Darlehen würde es nicht geben. Allerdings war der angerichtete Schaden nicht mehr rückgängig zu machen, und das Land musste verkauft werden.
Nach der Abwicklung des Verkaufs zog Charlie mit Nina und den Kindern nach Sydney. Er nahm einige der besten Pferde aus Dublin Park mit und verweigerte jeden weiteren Kontakt mit seinem Bruder.
Das hatte Elaine zwar sehr wehgetan, aber zumindest war es Wayne nicht gelungen, ihr Verhältnis zu Charlie völlig zu zerstören. Wenn sie sich unbeobachtet fühlte, hatte sie wegen ihrer beiden Söhne so manche Träne vergossen. Ja, sie wusste, dass sie bei Wayne zu viel Schwäche zeigte. Doch er war nun einmal ebenso ihr Sohn wie der liebevolle, starke und erfolgreiche Charlie; sie wollte keinen der beiden verlieren. Obwohl sie ihre Jungen gut verstand, hatte sie stets das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben. Durch Charlies Zwillinge war sie ein bisschen für die schweren Jahre entschädigt worden.
Elaine wischte sich die Tränen von den Wangen und erinnerte sich an den Tag, an dem Jo und Rick über die Veranda des Haupthauses von Dublin Park gerannt kamen und sich in ihre Arme geworfen hatten. Es war ihr erster Besuch nach dem Umzug und für Elaine der Tag gewesen, an dem in ihrem Leben endlich wieder die Sonne aufging.
Heute war die Familie, zumindest vorübergehend, durch eine Tragödie wieder zusammengeführt worden, und es war ihre Pflicht, Jo zu helfen. Das Mädchen erinnerte sie an einen Goldfisch, einen bunten Lichtblitz, der durch die Schatten huschte und ins Helle drängte. Sie ließ Jo los, küsste sie auf die Wange und lächelte sie an.
»Bald sind Schulferien, mein Kind. Was hältst du davon, deine Großmutter für eine Weile zu besuchen? Ich würde mich sehr freuen, und ich glaube, dass wir beide einander brauchen.«
»Ach, Gran, ich liebe dich so sehr«, schluchzte Jo, küsste Elaine und fiel ihr um den Hals. Dann kehrten die beiden langsam Arm in Arm zurück zum Haus.
Nachdem die letzten Gäste gegangen waren und die Verwandtschaft es sich gemütlich gemacht oder sich auf die Terrasse zurückgezogen hatte, tauschte Jo die Trauerkleidung rasch gegen Jeans und T-Shirt.
»Ich gehe mit Sam zum Strand, Mum«, rief sie, griff nach der Leine am Haken in der großen Vorhalle und pfiff nach Ricks Hund.
»Nimm Suzie Wong auch mit«, erwiderte Nina.
Sie hatte ihr Make-up aufgefrischt und sich mit einigen großen Gläsern Cola mit Rum gestärkt. Die frisch gebadete Suzie Wong spitzte die Ohren, sprang sofort auf Ninas Schoß, drehte sich zweimal um die eigene Achse, setzte sich und kratzte an den kleinen schwarzen Schleifen in ihrem wuscheligen weißen Fell.
»Muss das sein?« Jo blieb in der Wohnzimmertür stehen und musste ein entnervtes Aufstöhnen unterdrücken. Ein Strandspaziergang mit Suzie Wong bedeutete nämlich, dass man das Hündchen den ganzen Weg tragen musste, damit es sich nicht schmutzig machte. Die
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