Wohin der Wind uns trägt
wenn du daran herummachst«, ermahnte sie Fizzy und tätschelte ihm noch einmal die Nase. Fizzy warf wiehernd den Kopf zurück, und Jo lachte. Dann drehte sie sich um und hakte den gebeugten alten Mann unter. »Erzähl mir noch mehr davon, was ein Pferd für ein großes Rennen mitbringen muss.«
Winks verzog fröhlich das Gesicht, und seine Augen funkelten. Er liebte Jo wie die Enkeltochter, die ihm nie vergönnt gewesen war, und fühlte sich in ihrer Gegenwart wieder jung. Sie war so lebensfroh und unbeschwert und außerdem sehr lerneifrig, wenn er ihr etwas über Pferde erzählte. Wie er selbst hegte sie eine tiefe Liebe zu diesen Tieren. Und dennoch war seinem wachen Verstand nicht entgangen, dass sie gerade ganz schnell das Thema gewechselt hatte.
»Dazu brauchst du nur deinem Dad bei der Arbeit zuzusehen«, erwiderte er mit seiner vom Rauchen heiseren Stimme.
»Mehr nicht?«, gab Jo in gespieltem Erstaunen zurück und fühlte sich wieder besser. Unterhaltungen mit Winks nahmen häufig so einen Anfang.
Winks nickte und kramte in seinen Taschen.
»Ja, genau das ist es. Schau einfach weiter zu.« Er förderte ein zerknautschtes Zigarettenpäckchen zutage und steckte sich einen Glimmstängel in den Mundwinkel. »Ich kannte deinen Dad schon, als er ein magerer achtjähriger Junge war. Immer hat er alles ganz genau beobachtet.« Winks begann zu erzählen.
Jo lauschte aufmerksam und merkte sich sämtliche Einzelheiten. Bei jedem dieser Gespräche lernte sie etwas Neues.
»Ich beobachte dich, und ich stelle fest, dass du dich wacker schlägst«, fuhr Winks fort und zwinkerte ihr mit einem blutunterlaufenen Auge zu.
Seine Bemerkung über das Reiten hatte Jo allerdings tiefer getroffen, als sie zugeben wollte. Deswegen war sie auf der Rückfahrt nach Hause im weißen Rolls Royce ihres Vaters ungewöhnlich schweigsam.
»Kommst du trotz des verletzten Arms mit deinem Pferd zurecht?«, fragte Charlie freundlich. Jo nickte nur wortlos.
Charlie hatte mit Jo von Anfang an vereinbart, dass sie sich selbst um ihr Pferd kümmern musste, solange dieses in der Kingsford Lodge lebte. Sie durfte nicht erwarten, dass die Stallburschen ihr die Arbeit abnahmen. Charlie, der im Busch unweit von Wagga Wagga in der nordwestlichen Ecke von New South Wales, in der Nähe der Grenze zum benachbarten Bundesstaat Victoria, das Licht der Welt erblickt hatte, musste in seiner Jugend auf vieles verzichten. Aus diesem Grund war er fest entschlossen, seinen Kindern zu vermitteln, dass ihr Luxusleben nichts Selbstverständliches war.
Seine Eltern waren zu Anfang ihrer Ehe so arm gewesen wie die sprichwörtlichen Kirchenmäuse. Sidney Kingsford hatte sich als Landarbeiter durchgeschlagen, um für das Nötigste zu sorgen, während sich Elaine in dem bescheidenen Haushalt abrackerte.
Charlie besaß noch ein paar alte sepiabraune Fotografien, aufgenommen von einem von Sids Arbeitgebern. Sie zeigten Wayne und Charlie in Hosen und Hemden, die seine Mutter mit viel Liebe aus alten Mehlsäcken geschneidert hatte. Auf einem anderen Bild präsentierte seine Schwester Jeannie stolz ihr Mehlsackkleid.
Doch seine deutlichste Kindheitserinnerung war der Tag, an dem sein Vater zwei alte Mähren gekauft hatte, die eigentlich für den Pferdemetzger bestimmt gewesen waren. Charlie war gerade acht geworden, alt genug, um sich über den Hohn und Spott zu ärgern, den sein Vater sich von den anderen Pferdebesitzern und Trainern anhören musste. Am liebsten hätte er ihnen das selbstzufriedene Grinsen aus dem Gesicht geprügelt. Das war der Augenblick gewesen, in dem Charlie sich geschworen hatte, einmal ein Vermögen mit Pferden zu verdienen.
Er wuchs heran und beobachtete seinen Vater Tag für Tag bei der Arbeit mit den Tieren. Er schaute ihm zu, wie er stundenlang dastand und sie nur ansah, wie er sie gehen und traben ließ, mit ihnen sprach, sie fütterte und sie wieder zu ansehnlichen Tieren hochpäppelte. Und als sich die Investition in die Pferde endlich bezahlt machte, änderte sich das Leben der Familie Kingsford von Grund auf.
Zweimal musste Charlie miterleben, wie sein Vater ein erfolgreiches Unternehmen aufbaute und es wegen eines einzigen Misserfolgs wieder verlor. Schließlich hatte er Dublin Park gekauft, das Gestüt zu einem florierenden Familienbetrieb gemacht und seine Karriere als Pferdezüchter und -trainer damit gekrönt. Charlie war stolz, in die Fußstapfen seines Vaters treten zu können. Doch fünf Jahre später war Sid überraschend
Weitere Kostenlose Bücher