Wohin der Wind uns trägt
packten.
»Hoffentlich war das ein gutes Omen«, antwortete Jo.
Obwohl sie auf dem Heimweg von Wettkämpfen normalerweise sofort einschlief, grübelte sie diesmal während der gesamten Fahrt über die möglichen Konsequenzen nach.
Endlich schloss sie die Tür von Fizzys Box hinter sich und war völlig erschöpft. Die Wirkung des Schmerzmittels ließ allmählich nach.
»Was wird Mum wohl sagen?«, fragte sie. Den Pokal in der Hand, kletterte sie steif in den Rolls-Royce.
Stolz betrachtete Charlie seine müde Tochter; sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihr Zopf löste sich.
Er musste an seine eigene Jugend denken. Trotz des Verbots seines Vaters und des Arztes hatte er an einem Rodeo teilgenommen und den Jugendwettbewerb gewonnen. Sein krummer linker Arm erinnerte ihn bis heute an diesen Tag.
Jo hatte ihm zwar einen ziemlichen Schrecken eingejagt, aber er konnte ihr einfach nicht böse sein. Sie war eben die Tochter ihres Vaters und eine richtige Kingsford.
»Du hältst deinen Vater wohl für einen alten Dummkopf.«
Er tätschelte ihr das Bein.
Jo hörte sein tiefes, tröstendes Lachen und fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen.
»Ich wusste genau, was du im Schilde führst, Kleines. Schließlich war mir klar, wie viel dir das Turnier bedeutet.
Du kannst manchmal schrecklich stur und rechthaberisch sein …« Er hielt inne, und Tränen glitzerten in seinen Augen. »Ich bin stolz auf dich.«
Er räusperte sich und blickte wieder geradeaus auf die Straße.
»Um deine Mutter kümmere ich mich schon. Mach dir keine Sorgen.«
Mit einem Seufzer lehnte Jo sich in das weiche Lederpolster zurück. Wenige Sekunden später sank ihr Kopf an die Fensterscheibe.
Sie schlief tief und ruhig, die Finger fest um den Martha-Wellbourne-Pokal geschlossen.
5
Eine ganze Woche lang sonnte Jo sich in ihrem Triumph. Charlie hielt Wort, beruhigte Nina und überzeugte sie von den Vorteilen von Jos Engagement im Ponyclub gegenüber der Arbeit auf der Rennbahn. Er war sich sehr wohl bewusst, dass Jo diesen Akt des Ungehorsams gebraucht hatte, um über den Tod ihres Bruders hinwegzukommen.
Nina ärgerte sich zwar über Jos Verhalten, sah Charlies Gründe aber ein, und so beschränkte sich ihre Kritik auf einige wenige Bemerkungen darüber, wie leichtsinnig es gewesen sei, sich erneut die Schulter zu verletzen. Sie gab sich große Mühe, Jo aufzuheitern, ermutigte sie, mehr Zeit mit ihren Reiterfreundinnen zu verbringen, und erlaubte zu Jos großer Überraschung sogar, dass Dianne bei ihr übernachtete.
Am Samstagmorgen nach ihrem Sieg lehnte Jo sich aus ihrem Zimmerfenster. Wie gerne wäre sie nun unten in der Botany Bay gewesen, um beim Baden der Rennpferde zu helfen. Der Beweis ihrer Reitkünste hatte sie ihrem Ziel anscheinend keinen Schritt näher gebracht. Das bedrückte Jo sehr. Sie sah, wie Sam es sich ohne Protest gefallen ließ, dass Suzie Wong an seinem Ohr kaute, während er draußen in der Morgensonne lag. Davon sank ihr Stimmungsbarometer nur noch weiter. Ihre Schulter tat weh, und bei dem Gedanken, dass sie einen ganzen Monat lang nicht reiten durfte, fühlte sie sich wie eine lebenslänglich Verurteilte. Traurig pflückte sie eine Blüte von dem gelben Rosenbusch, der unter ihrem Fenster wuchs und dessen gelbe Rosetten vor zwei Tagen aufgeblüht waren.
Jo zupfte ein Blütenblatt nach dem anderen ab, sah zu, wie es in der sanften Brise davonschwebte, und schalt sich für ihren Trübsinn. Sie hätte eigentlich glücklich sein müssen. Immerhin hatte sie das seit ihrem Beitritt zum Ponyclub angestrebte Ziel erreicht. Stattdessen war sie müde und bedrückt. Sie dachte über die widersprüchlichen Folgen der letzten Wochen nach. Einerseits hatten ihre Eltern ihr die Teilnahme an dem Turnier verziehen, das als eines der anspruchsvollsten in ganz Australien galt. Andererseits verboten sie ihr weiterhin die Arbeit auf der Rennbahn. Außerdem lag ihr Nina wieder mit ihren Plänen für eine Karriere als Fotomodell in den Ohren.
Das letzte Blütenblatt trudelte zu Boden. Jo schloss das Fliegengitter des Fensters und ließ sich entnervt aufs Bett fallen. Wenn Rick noch lebte, würde er sie sicher unterstützen. Dad hätte ihn gebeten, ein Auge auf sie zu haben und ihr die umgänglichen Pferde zu geben – was nicht hieß, dass sie mit den schwierigen nicht zurechtgekommen wäre. Jo nestelte an ihrer Armschlinge und fühlte sich hilflos. Sie schlüpfte aus dem Nachthemd und zog einen Pulli und Jeans an.
Warum
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