Wohin der Wind uns trägt
Schmerz durch den Arm. Sie zwang Fizzy zurück auf den Parcours und lenkte ihn dorthin, wo sie das erste Hindernis vermutete. Vor Schmerz sah sie alles nur noch wie durch einen Nebel. Angestrengt starrte sie auf die roten und weißen Stangen, während Fizzys Hufe leicht das Hindernis streiften. Mühsam hielt Jo sich im Sattel, ohne zu wissen, ob sie überhaupt in die richtige Richtung ritten. Als sie auf Hindernis Nummer vier zurasten, legte sich der Schwindel zum Glück wieder ein wenig. Doch dann scheute Fizzy vor Numer fünf und riss bei Nummer sechs, dem einfachsten Hindernis, eine Stange. Jo hätte vor Enttäuschung weinen können. Nun durfte sie sich bei Nummer acht und dem Oxer keinen Fehler mehr erlauben. Inzwischen schmerzte ihre Schulter so heftig, dass sie die Zügel nur noch mit der linken Hand halten konnte und deshalb kaum noch Möglichkeiten hatte, das Pferd zu lenken.
Sie näherte sich dem Rick und ihr wurde schlagartig bewusst, was sie sich eingehandelt hatte. Wenn die Probleme mit ihrer Schulter wieder von vorn losgingen, würde ihre Mutter sofort wissen, dass sie ihr Verbot missachtet hatte. Und selbst wenn sie den Pokal gewann, lief sie Gefahr, dass ihre Eltern ihr deshalb Fizzy wegnahmen.
Wegen der tief stehenden Nachmittagssonne konnte sie fast nichts sehen, während sie auf das in einem engen Winkel stehende Hindernis zugaloppierten. Bei Fizzys unsanfter Landung wurde Jo so durchgerüttelt, dass sie die Zügel losließ. Wie durch ein Wunder hatten sie keine einzige Stange gerissen, aber Jo hatte solche Schmerzen, dass sie kurz mit dem Gedanken spielte, das Handtuch zu werfen. Doch dann spürte sie die Kraft des Pferdes unter sich und erinnerte sich an den Sprung über den Wassergraben. Nun war es an ihr, Mut zu beweisen. Also griff sie nach den lose herabhängenden Zügeln und trieb Fizzy an. In Erwartung des Schmerzes biss sie die Zähne zusammen, als er über die erste Stange des Oxers sprang. Wieder verschwammen Rot und Weiß ihr vor den Augen, und sie wusste, dass sie sich auf Fizzy verlassen musste. Instinktiv erahnte Fizzy, was seine Reiterin von ihm erwartete, und übernahm das Kommando. Mit zwei Sätzen überwand er den zweiten Barren und setzte dann mit einem kühnen Sprung über den dritten. Sie hatten es geschafft. Wie ein echter Sieger warf Fizzy den Kopf zurück und trug Jo, begleitet vom Applaus der Zuschauer, vom Platz.
Noch nie im Leben war Jo so glücklich und voller Stolz gewesen. Tränen der Freude und des Schmerzes kullerten ihr über die Wangen, und sie war noch immer sehr aufgeregt. Fizzy hatte den Martha-Wellbourne-Pokal für sie, für Rick und für Winks errungen. Sie hatten gewonnen. Sicher würde Dad stolz auf sie sein. Ihr Gesicht war bleich, als sie sich vorbeugte, um Fizzy zu tätscheln. Dann glitt sie von seinem Rücken und sackte auf dem Boden zusammen. Jo hielt sich den Arm und nahm außer den Schmerzen nichts mehr um sich herum wahr. Die Mutter eines Teilnehmers kam auf sie zugelaufen, während eine andere losrannte, um Hilfe zu holen.
»Jo«, rief da eine vor Rührung zitternde Männerstimme.
Jo schrak zusammen. Als sie trotz ihrer Schmerzen aufschaute, blickte sie in die Augen ihres Vaters und sah die Angst und die Liebe darin.
»Ich habe gewonnen, Dad. Ich habe den Martha-Wellbourne-Pokal gewonnen«, flüsterte sie. »Für Rick, für Winks, für dich und … und … bitte nimm mir Fizzy nicht weg.«
Sie sank an seine Brust. Hinter Charlie standen Mr Gibbs und eine sichtlich blasse Dianne, die gleichzeitig erschrocken und aufgeregt wirkte.
»Nur mit der Ruhe, Kleines. Jetzt sehen wir uns erst mal deine Schulter an«, erwiderte Charlie besorgt und kniete sich neben seine Tochter, um sie besser halten zu können.
Dr. Brunswick eilte herbei. Er besaß die Geistesgegenwart, ihre vorherige Begegnung nicht zu erwähnen, und schon wenige Minuten später trug Jo den Arm wieder in der Schlinge. Da ihr der Arzt außerdem ein Schmerzmittel gegeben hatte, und sie sich noch in ihrem Triumph sonnte, fühlte sie sich gleich viel besser. Sobald feststand, dass Jo wirklich Erste geworden war, fielen Dianne und Mrs Gibbs erst ihr und dann einander um den Hals.
Jo umarmte Charlie und Mr Gibbs, und alle streichelten Fizzy.
»Mein Dad war wegen einer Versicherungssache in Neuseeland und hat auf dem Heimweg deinen Dad im Flugzeug getroffen. Ist das nicht ein wahnsinniger Zufall?«, rief Dianne begeistert, als sie nach der Preisverleihung ihre Sachen
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