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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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riss, entfernte vorsichtig die Membran vom Kopf des Fohlens und stand auf.
    »Es ist ein kleiner Hengst, und sie sind beide wohlauf«, verkündete er mit einem müden Lächeln. Mit dem Tuch, das Jo ihm reichte, rieb er sich kräftig die schmerzenden Arme ab. »Junge, Junge, das war eine ganz schöne Plackerei. Es kann ziemlich anstrengend werden, wenn das Fohlen falsch liegt. Sie haben sich wacker geschlagen, Jo. Vielen Dank.«
    Bewundernd blickte Jo zu ihm auf und wischte sich mit dem Handrücken rasch die Tränen ab. Wenig später richtete die Stute sich auf und leckte ihr Fohlen, dessen dunkelbraunes Fell und Köpfchen mit Blut und Schleim bedeckt waren. Wie bei seiner Mutter leuchtete auf seiner Stirn die berühmte Blesse.
    Jo streckte sich und holte frisches Wasser, damit der Tierarzt sich säubern konnte. Sie half ihm, seine Gerätschaften zusammenzuräumen, und spürte, wie sich ihre Anspannung allmählich legte. Mutter und Kind waren einfach wundervoll.
    Nach weiteren zehn Minuten erhob sich die Stute, wobei die Nabelschnur auf natürliche Weise riss. Phillip tupfte den frischen Nabel mit Jod ab. Bei ihren verzweifelten Versuchen, die Stute zu retten, und ihrer Freude über den Erfolg hatten die beiden die dunklen Wolken nicht bemerkt, die sich drohend am Horizont zusammenballten. Während die Stute die Nachgeburt ausstieß, fiel schlagartig die Temperatur. Ein heftiger Wind kam auf, der an ihren Kleidern zerrte.
    »Mir gefällt es gar nicht, den Kleinen hier draußen zu lassen, wenn das Wetter schlechter wird«, rief Phillip. »Sonst verlieren wir ihn vielleicht. Am besten ist, wir nehmen ihn mit.«
    Jo nickte zustimmend. Noch während er das sagte, öffnete der Himmel seine Schleusen und durchweichte die beiden innerhalb weniger Sekunden. Der Wind wurde rasch stärker.
    Durch peitschenden Regen und Wind kämpften sie sich zu Bountiful Lass hinüber, die ihren Nachwuchs so gut wie möglich gegen die Elemente schützte. Phillip nahm das verschreckte kleine Geschöpf in die Arme und trug es zum Auto. Mit klappernden Zähnen rutschte Jo auf den Beifahrersitz, trocknete das zitternde Fohlen so gut es ging mit einer alten Decke ab und drückte es – beobachtet von einer zunehmend besorgten Bountiful Lass – an sich, um es zu wärmen. Nachdem Phillip die Nachgeburt zur späteren Untersuchung in einem Eimer verstaut hatte, stellte er diesen zu seiner Tasche in den Kofferraum, sprang auf den Fahrersitz und schlug die Tür zu. Der Sturm peitschte die Eukalyptusbäume und trieb den Regen fast horizontal gegen die Windschutzscheibe. Langsam kehrte die kleine Karawane zu den Ställen zurück. Bountiful Lass trottete mit gesenktem Kopf hinter dem Wagen her.
    »Eigentlich wollte ich vorschlagen, ihn ›Bright Morning‹ – ›Heller Morgen‹ – zu nennen. Aber ›Crazy Storm‹ – ›Verrückter Sturm‹ – passt wohl besser«, meinte Jo, die inzwischen Phillips bunten Pullover und eine trockene Jeans von Linda trug und im warmen, trockenen Stall stand.
    Sie lehnte an der Tür der Box und wandte sich von dem Fohlen ab, das tief und fest im kuscheligen Stroh schlief. Bountiful Lass stand daneben und labte sich genüsslich an frischer Luzerne. Ihr Nachwuchs hatte sich den Bauch mit Colostrum vollgeschlagen, der Erstlingsmilch für Fohlen, von der in Dublin Park stets ein tiefgefrorener Vorrat für Notfälle vorhanden war. Nun stand dem Fohlen, das so heldenhaft darum gekämpft hatte, geboren zu werden, eine glänzende Zukunft bevor.
    »›Crazy Storm‹? Gar nicht schlecht. Und Sie sind die Meerjungfrau persönlich?«, meinte Phillip schmunzelnd und griff nach einer ihrer langen, klatschnassen blonden Haarsträhnen. »Sie haben ihm das Leben gerettet, Jo. Das wissen Sie doch?«
    Sein Blick wurde auf einmal ernst. Jo glaubte, noch nie so wundervolle sanfte graue Augen gesehen zu haben. Schmetterlinge regten sich in ihrem Bauch. Verlegen schob sie sich die Haare hinter die Ohren.
    »Was haltet ihr von ›Kick Up A Storm‹ – ›Unruhestifter‹ –, so wie seine Retterin?«, witzelte Linda. Mit spürbarem Respekt blickte sie Jo an. »Aber wenn du dich hättest einschüchtern lassen, hätten die beiden vermutlich kaum eine Chance gehabt.«
    »Das gefällt mir … Kick Up A Storm, willkommen auf der Welt.« Jo erwiderte das Lächeln, und die Feindseligkeit zwischen den beiden Mädchen war mit einem Mal wie weggeblasen.
    »Morgen früh komme ich wieder, um nach ihnen zu sehen, Linda«, meinte Phillip fröhlich. »Und um

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