Wohin der Wind uns trägt
zwar heftig, aber von dem Fohlen war nichts zu sehen. Wahrscheinlich lag es falsch. Jo erinnerte sich an den Rat ihres Vaters, man müsse eine Stute, die Schwierigkeiten bei der Geburt hatte, stets in Bewegung halten, bis Hilfe kam. Also lockte Jo die Stute auf die Beine und begann, sie herumzuführen. Vielleicht hatte ja niemand geantwortet, weil Linda schon unterwegs war.
»Bitte, bitte, lass sie den Tierarzt schicken«, flehte Jo immer wieder, während sie Bountiful Lass streichelte.
Hoffnung stieg in ihr auf, als oben auf dem Hügel eine Staubwolke zu sehen war. Am liebsten hätte Jo vor Erleichterung einen Schrei ausgestoßen. Also hatte Linda sie doch ernst genommen. Sekunden später tauchte ein verbeulter Kombi auf, der über die Koppel auf sie zusteuerte und dabei immer wieder den anderen Pferden ausweichen musste, die neugierig herbeigaloppiert kamen. Der Wagen hielt dicht vor den Bäumen, und ein junger Mann Mitte zwanzig in einem Overall sprang heraus und eilte zu Jo hinüber.
»Ich bin Phillip Gregg, der Tierarzt. Schauen wir uns die Stute mal an«, verkündete er und krempelte sich die Ärmel hoch.
»Gott sei Dank«, rief Jo und bemüht sich trotz ihrer zitternden Beine, Bountiful Lass zu stützen.
»Mein Gott, Linda hatte recht, als sie sagte, wir müssten Sie ernst nehmen«, stellte der Arzt überrascht fest, nachdem er sich ein Bild vom Zustand der Stute gemacht hatte. »Sie haben wirklich Ahnung.«
Das Kompliment brachte Jo zum Erröten.
»Ihre Fruchtblase ist vor etwa sieben Minuten geplatzt«, meldete sie atemlos. »Sie presst zwar, aber es passiert nichts.«
Der Tierarzt nickte. Dann holte er hastig einen Eimer und seine Arzttasche aus dem Wagen.
»Ich besorge Wasser«, erbot sich Jo, packte den Eimer und rannte zum Wassertrog.
»Danke«, rief der Arzt ihr nach. Er legte den Inhalt seiner Taschen auf den Beifahrersitz und war froh, dass Jo sich bei diesem Notfall offenbar nicht aus der Ruhe bringen ließ.
Keuchend kam Jo mit dem überschwappenden Eimer zurück.
Der Tierarzt gab ein Desinfektionsmittel hinein und reinigte seine Hände und Arme.
»Können Sie sie festhalten, während ich sie untersuche?«, fragte er und trug großzügig Gleitmittel auf. Während Jo Bountiful Lass beruhigte, schob der Tierarzt seinen Arm bis zum Ellenbogen in den Leib des Pferdes.
»Lass mich mal tasten, altes Mädchen. Stopp, nicht bewegen«, murmelte er leise, als die Stute begann, sich gegen den Eingriff zu wehren.
»Der Kopf hat sich zur Seite gedreht«, meinte er, nachdem er den Arm wieder zurückgezogen hatte, und sah Jo an. »Ich brauche Ihre Hilfe. Schaffen Sie das?«
Die Frage war eher Formsache, und Jo nickte entschlossen.
»Auf dem Rücksitz liegt ein Seil. Tauchen Sie es in Desinfektionsmittel, für den Fall, dass ich es brauchen sollte. Wenn die Stute wieder auf dem Boden liegt, halten Sie ihr den Kopf fest.«
In den nächsten Minuten drehte Phillip, immer wieder unterbrochen von den schmerzhaften Wehen, das Köpfchen des Fohlens im Leib der Stute herum, während Jo Bountiful Lass sanft streichelte. Sie redete beruhigend auf das große Tier ein, das sich stöhnend gegen jede neue Wehe stemmte und immer wieder den Kopf nach hinten wandte, um festzustellen, was der Tierarzt da trieb. Ein Beinchen kam in Sicht. Phillip wies Jo an, das Seil daran zu befestigen, damit es nicht wieder im Mutterleib verschwand.
Jo wünschte, mehr beitragen zu können, während sie das Pferd beruhigte und mit aller Macht das Ende der Geburt herbeiwünschte. Mitfühlend verzog sie das Gesicht, als eine weitere Wehe dem Tierarzt fast den Arm zerquetschte. Endlich gelang es ihm, das zweite Beinchen herauszuziehen. Fliegen umschwirrten seine schweißbedeckte Stirn und seinen Hals. Dann hatte er es geschafft, Kopf und Beine des Fohlens in die richtige Position zu bringen. Keuchend vor Erschöpfung zog er seinen Arm zurück, der durch den Druck der Wehen steif und mit Blutergüssen übersät war. Dann wischte er sich mit dem anderen Arm über die Stirn.
Jos Herz pochte besorgt. Nun konnte das Fohlen kommen. Waren sie schnell genug gewesen? Mit einer letzten, heftigen Wehe presste Bountiful Lass, während Jo sanft an dem Seil zog und dem Fohlen hinaus auf den Boden half. Sein magerer dunkelbrauner Körper schimmerte bläulich durch die schützende Membran. Gerührt sah Jo, dass sich seine kleine Brust langsam hob und senkte. Es lebte. Der Tierarzt ließ die Hinterbeine noch im Mutterleib, damit die Nabelschnur nicht
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