Wohin der Wind uns trägt
so viel von seiner Zeit beanspruchten. Vielleicht sollte er Mick wirklich mehr Verantwortung übertragen, aber er brachte es einfach nicht über sich. Man konnte so schnell die Erfolgsleiter herunterrutschen.
Erschrocken zuckte er zusammen, als er beim Aufschließen des großen grünen Tors ein schrilles Wiehern hörte, gefolgt von Hufgetrappel auf dem Beton. Er riss das Tor so heftig auf, dass es gegen die Mauer schlug, und starrte entgeistert auf Winks mageren Rücken. Sein nächster Blick fiel auf den Hengst, dessen Hufe wütend durch die Luft ruderten. Charlie fühlte sich wie in einem Albtraum. Hilflos musste er zusehen, wie Jo den Rücken des Pferdes hinunter und in Richtung Boden rutschte.
»Gütiger Himmel, Jo!«, rief er.
Die vorderen Hufe des Hengstes berührten den Beton, während das Tier mit den Hinterläufen austrat. Rasch zog Jo sich wieder hoch und griff nach den Zügeln, wurde jedoch im nächsten Moment nach vorne geschleudert, weil der Hengst sich erneut aufbäumte, wild entschlossen, die Reiterin abzuwerfen. Vergeblich versuchte Charlie, die Zügel zu packen. Nach einem weiteren empörten Wiehern schlug der Hengst noch einmal kräftig aus und galoppierte dann zum Übungsplatz.
Jos Beine taten weh, und unter ihren Achseln waren dunkle Flecken. Der Schweiß lief ihr übers Gesicht und in den Mund, sodass sie einen salzigen Geschmack spürte, als sie sich mit der Zunge über die ausgedörrten Lippen fuhr. Die Beine fest in die Flanken des Hengstes gepresst, kämpfte sie mit dem gewaltigen Tier, stets darauf gefasst, dass er erneut Anstalten machen würde, sie abzuwerfen. Nachdem der Hengst ein drittes Mal vergeblich gestiegen war, fand er sich offenbar damit ab, dass er Jo nicht so leicht abschütteln konnte, und blieb stehen. Seine schweißnassen Flanken hoben und senkten sich, und er ließ schwer atmend den Kopf hängen. Auch Jo keuchte vor Anstrengung, doch sie wagte nicht, locker zu lassen. Der Hengst schüttelte den Kopf, und der weiße Schaum flog aus seinem Maul in alle Richtungen. Das Pferd ruckte ein letztes Mal trotzig an den Zügeln und gab sich dann geschlagen.
»Danke, du hässlicher Satansbraten«, rief Jo triumphierend. Sie beugte sich vor und tätschelte, immer noch schwer atmend, den Hengst, während Winks und Charlie losliefen, um das Tier festzuhalten. »Mir geht es prima, danke. Nun weiß er, wer hier das Sagen hat.« Sie blickte ihren Vater unverwandt an.
»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, du dummes Ding? Ist dir nicht klar, dass du hättest umkommen können?«, brüllte Charlie.
Der Hengst hörte die lauten Stimmen, er zuckte zusammen und machte eine Seitwärtsbewegung. Charlie packte ihn am Zügel und zog Jo von seinem Rücken. Seine Miene war finster, und er bebte vor Angst und Wut. Wortlos führte er das Pferd in den Stall, während Jo zornig den Sattel zurück in die Sattelkammer brachte. Als Charlie, das Zaumzeug über der Schulter, wieder herauskam, schloss er zuerst die Box ab und knöpfte sich dann Winks vor.
»Ich habe sie vor dem Burschen gewarnt. Aber sie hat ihm eindeutig gezeigt, wer der Boss ist. Daran besteht kein Zweifel«, kicherte dieser erleichtert.
Charlie fiel ihm ins Wort.
»Du alter Narr! Wie konntest du das zulassen?«, schrie er. »Morgen holst du dir deinen Lohn ab und ziehst aus.«
Winks wurde leichenblass. Jo, die gerade auf den Hof zurückkehrte, erschrak und traute ihren Ohren nicht.
»Dad, Winks ist unschuldig. Er wusste nichts davon. Lass deine Wut lieber an mir aus.«
Charlie wirbelte zu ihr herum.
»Jetzt ist endgültig Schluss, mein Kind. Sobald du zu Hause bist, fängst du an zu packen. Deine Mutter hat recht. Je weniger du mit Pferden in Berührung kommst, desto besser für uns alle.«
Er bedachte seine Tochter mit einem harten Blick aus kalten Augen. Sein Magen hatte sich noch immer nicht von dem Schrecken erholt, denn er war wirklich überzeugt gewesen, er würde nun auch noch Jo verlieren. Seine Tochter starrte ihn fassungslos an.
»Kein Wort mehr«, warnte Charlie und hob den Finger. »Keine Sorge, Mädchen«, meinte Winks leise und mit tränenfeuchten Augen. »In letzter Zeit war mit mir sowieso nicht mehr viel los. Dein Dad hat recht, ich bin ein alter Narr. Es ist Zeit, weiterzuziehen, mein Kind.«
Jos Augen füllten sich mit Tränen. Nur weil sie so stur und egoistisch gewesen war, hatte sie sich nicht nur den Respekt ihres Vaters verscherzt, sondern auch einem der Menschen, die ihr am meisten bedeuteten, das
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