Wohin die Liebe führt
»Warum lassen Sie die Kamera nicht im Wagen? Es hat doch keinen Sinn, das schwere Ding mitzuschleppen.«
»Hier wird alles gestohlen«, sagte sie. »Die Kamera hat mich zweihundert Dollar gekostet.«
Die Treppe war aus Holz. Sie führte an der Außenseite des Gebäudes nach oben. Unsere Schritte hallten hohl wider, als wir hinaufstiegen. Unter einer hölzernen Tür schimmerte Licht. Ich klopfte an. Schlürfende Schritte wurden hinter der Tür hörbar. »Wer ist da?« fragte eine Stimme. Ich sah auf Anna.
»Ich bin’s, Anna«, sagte sie. »Laß mich hinein, Renzo.«
Ich hörte einen unterdrückten Fluch, dann wurde die Tür langsam aufgemacht. »Wie zum Teufel hast du rausgekriegt, wo ich bin?« fragte er grob. Dann sah er mich und wollte die Tür wieder zuschlagen.
Ich stellte meinen Fuß in die Spalte und stieß sie auf. Er taumelte zurück ins Zimmer und starrte mich an. Seine dunklen Augen blinzelten. Er war derselbe gutaussehende Typ wie seine Schwester, aber zu ihm paßte das irgendwie nicht. Er sah zu weichlich aus. Er trug dunkle, enganliegende Hosen und ein Unterhemd.
»Wer ist der Kerl?«
»Das ist Mister Carey, Renzo«, sagte Anna. »Er kommt wegen der Briefe.«
Aus dem Hinterzimmer war eine Mädchenstimme zu hören.
»Wer ist da, Süßer?«
»Meine Schwester und ein Freund.«
»Ein Freund? Ich komm gleich raus.«
»Eilt nicht«, sagte er finster. Er musterte mich. »Von was für Briefen redet sie denn?«
Ich stieß die Tür hinter mir mit dem Fuß zu. »Die Briefe in dem versiegelten Umschlag, den sie Ihnen in der Nacht gegeben hat, als Tony umgebracht wurde.«
»Was die für ’n Stuß zusammenfaselt!« sagte er. »Ich weiß nichts von Briefen.«
Ich sah über seine Schulter eine Zeitung auf dem Tisch liegen, die aufgeschlagene Morgenausgabe des >Examiner<. »Sie wissen schon, was für Briefe ich meine. Genau die, von denen Sie Mrs. Hayden geschrieben haben.« In der Ecke des Zimmers stand eine Schreibmaschine. »Auf dieser Maschine haben Sie ihr geschrieben.«
Aus dem Hinterzimmer kam ein Mädchen. Sie hatte karottenrotes Haar, ihr blauer Kimono war in der Mitte mit einer roten Schärpe zusammengebunden. »Stell mir deine Freunde vor, Süßer.«
Er blickte erst sie und dann mich an. »Ich hab’ keine Briefe auf der Klapperkiste geschrieben«, sagte er.
Ich ging durch das Zimmer und hob die Schreibmaschine auf, steckte sie unter den Arm und wollte wieder zur Tür.
»He!« kreischte das Mädchen, »was wollen Sie mit meiner Schreibmaschine?«
Ich sah Lorenzo an. »Die Polizei kann die Typen prüfen«, sagte ich. »Und wenn ich richtig orientiert bin, stehen auf Erpressung zehn bis zwanzig Jahre Zuchthaus.«
»Ich hab’ dir gleich gesagt, du sollst meine Maschine nicht nehmen«, zeterte das Mädchen.
»Halt den Mund.« Er wandte sich zu mir. »Warten Sie ’n Augenblick«, sagte er. »Wollen Sie kaufen?«
»Vielleicht«, sagte ich, stellte die Maschine hin und sah ihn an.
Ein verschlagener Blick kam in seine Augen. »Schickt Sie die Alte?«
»Woher wüßt’ ich sonst Bescheid, wenn sie mich nicht schickt?«
»Was will sie gutwillig zahlen?«
»Das kommt auf die Ware an, die Sie verkaufen«, antwortete ich. »Katzen im Sack kaufen wir nicht.«
»Sie sind goldrichtig, die Briefe.«
Mir kam plötzlich eine Idee. »Sie sind nicht der einzige, der da was holen möchte«, sagte ich.
Er schien bestürzt. »Sie meinen, da sind noch andere?«
»Ihr Brief war der vierte von der Sorte, den wir bekamen.«
Sein Gesicht verdüsterte sich.
»Woher soll ich wissen, daß Ihre echt sind?« fragte ich. »Ich müßte erst etwas davon sehen.«
»Halten Sie mich für so blöde, daß ich die Briefe hier rumliegen habe? Nee, das Geschäft geht auf Kippe. Meine Partner haben sie gut verwahrt.«
Ich nahm die Schreibmaschine wieder an mich. »Dann werde ich lieber mit Ihren Partnern sprechen, wenn sie mit der Ware rüberkommen.«
»Man sachte!« sagte er. »Hab’ mir doch gleich gedacht, daß so was kommen würde! Für den Fall hab’ ich mir nämlich ein paar saftige Briefe rausgenommen!«
Ich stellte die Maschine hin. »Das klingt schon vernünftiger. Lassen Sie mal sehen.«
Renzo sah das Mädchen an. »Zieh dir was an und geh runter -Johnny soll dir das Kuvert geben, das er von mir hat.«
»Bemühen Sie sich nicht.« Ich sah Anna an, die uns schweigend zugesehen hatte. »Würde es Ihnen etwas ausmachen?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Bruder fauchte. »Was zahlt er dir, daß du den
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