Wohin die Liebe führt
dürfen es nicht riskieren, daß sie in andere Hände kommen.«
»Sie sind bereits in den verkehrten Händen.«
»Dann unternimm nichts, was die Sache noch schlimmer macht.«
»Bestimmt nicht.«
»Was tust du morgen nachmittag?«
»Nichts Besonderes. Ich weiß noch nicht.«
»Nora und Gordon kommen her. Wir müssen bei Gericht unsere Vorschläge für Dani einreichen. Doktor Bonner und die Leiterin von Danis Schule werden auch dasein; ich dachte, du kommst vielleicht gern auch dazu.«
»Um welche Zeit?«
»Um halb vier.«
»Gut. Ich komme.«
»Und läßt du mich wissen, was heute nacht geschieht? Bitte ruf mich an - ganz gleich, wie spät es ist.«
»Ja. Ich rufe dich an.«
Es dauerte noch eine halbe Stunde, ehe Maude Mackenzie erschien. Inzwischen hatten sich noch ein paar Vögel eingefunden,
die gerupft werden wollten. Der Raum war jetzt zu etwa einem Drittel gefüllt.
Maude Mackenzie sah genau aus wie auf den Fotos vor der Tür. Sie kam in weißem Scheinwerferlicht, sah sich im Saal um, überschlug die Zahl der Gäste, setzte sich dann ans Klavier und erklärte, gerade so hätte sie’s gern - für ein kleines, erlesenes Publikum zu singen. In ihrem Alter könne sie die Läden, die so groß sind wie die Zirkusse, nicht mehr recht vertragen.
Das Publikum lachte, aber ich merkte, daß sie schlecht gelaunt war. Sicher arbeitete sie auf Prozente - und wenn es so war, dann gab sie diese Vorstellung praktisch umsonst.
Sie fing sofort mit einem Lied von den guten alten Zeiten an, wie sie sich in einem Planwagen zur Barbaryküste durchgearbeitet hatte. Ich betrachtete den alten Fettkloß - sie schwitzte im Scheinwerferlicht und dachte, wieviel besser es doch gewesen wäre, wenn die Indianer sie erwischt hätten.
»Hätten Sie gern ein hübsches Foto von sich, Sir?«
Ich blickte mich um. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Anna Stradella aus, als komme sie direkt aus einem italienischen Film. Eine schwarze Korsage und lange schwarze Netzstrümpfe. Breite Schultern, starker Busen, schmale Taille und breite, einladende Hüften. La dolce vita. Sophia Loren auf die billige Tour.
Ich wollte schon ablehnen, aber sie lächelte. »Lassen Sie mich eine Aufnahme machen!« Und dann flüsterte sie ganz schnell: »Mein Boß paßt auf. Ich muß einen Grund haben, mit Ihnen zu sprechen.«
»Okay«, sagte ich, »aber machen Sie mich recht hübsch!«
Sie lächelte und hantierte mit ihrer Kamera. Hielt sie sich vor ihr Gesicht, stellte sie ein. Dabei beugte sie sich über mich. Nun wußte ich, was die italienischen Mädchen mit der vielen Fettschminke tun. »Drehen Sie Ihren Stuhl so herum«, sagte sie laut und schob mich nach links. Wieder drehte sie am Sucher.
»So ist es besser.«
Sie trat zurück und hob die Kamera ans Gesicht. Das Blitzlicht flammte auf, und ich blinzelte, um die roten und grünen Flecke vor meinen Augen zu vertreiben. Sie kam zu meinem Tisch zurück.
»Ich schreib auf die Rückseite des Fotos, wo Sie mich abholen sollen«, flüsterte sie.
»Haben Sie ihn gefunden?«
Sie nickte und richtete sich auf. Ich sah ihre Augen flackern und spürte den Mann, der vorbeiging, mehr als ich ihn sah. »Sehr gut, Sir. Das Bild wird in fünfzehn Minuten fertig sein.«
Sie wandte sich um und ging fort. Ich blickte ihr ein paar Sekunden nach. Dies war der letzte Beruf, auf den ich getippt hätte, als ich sie heute vormittag im Bestattungsinstitut kennenlernte. Aber schließlich. was weiß man schon?
»Noch einen Drink, Sir?«
Ich nickte. Zum Teufel, es war ohnedies halb Wasser. Der Rest der Vorstellung war genauso schlecht wie das erste Lied. Maude Mackenzie war keine Pearl Williams und keine Belle Barth, aber nicht weniger deutlich. Und den Kunden, die hier waren, schien das zu gefallen. Sie schluckten alles. Also immerhin noch besser als am Mittwochabend vor dem Fernseher.
Es war ein Uhr fünfundvierzig, als ich meinen Wagen unter einer Straßenlampe dort parkte, wo ich sie erwarten sollte. Ich stellte den Motor ab und sah mir das Bild noch einmal an. Wenn man bedachte, wo es aufgenommen war, war es gar nicht einmal so schlecht. Ich drehte es um. Sie hatte mit einem weichen Stift geschrieben, von der Sorte, den Fotografen zum Retuschieren brauchen. Hastig hingekritzelte Worte:
800 Block Jackson St.
Ich legte das Bild neben mich auf den Sitz und steckte mir eine Zigarette an. Sie kam ungefähr zehn Minuten nach mir, mit
einem Taxi, das an der Ecke hinter mir hielt. Als ich die Tür zuschlagen hörte,
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