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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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glaube, weiter wäre darüber nichts zu sagen, Mutter. Oder?« Nora schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    Es wäre so vieles zwischen ihnen zu sagen gewesen, aber Da-ni konnte nicht zu ihr sprechen und sie nicht zu Dani - genauso, wie Nora auch mit ihrer Mutter nicht hatte sprechen können. Jede Generation lebt auf ihrer eigenen Insel.
    Sie machte noch einen Versuch. »Dani«, sagte sie ernst, »bitte sprich mit Miss Jennings. Vielleicht kann sie dir wirklich helfen.«
    »Ich trau mich nicht, Mutter. Mit ihr ist es nämlich so: Man kann nicht einfach aufhören, wann man will. Da führt das eine
    Wort zum andern und das andere zum dritten - und ehe man sich’s versieht, hätte sie erfahren, was Freitag nacht wirklich geschehen ist. Und ich will nicht, daß es jemand erfährt - genauso, wie du es nicht willst.«
    Nora sah ihre Tochter an. Darauf lief also alles hinaus, dachte sie.
    Das einzige, was sie zu teilen hatten, war eine gemeinsame Schuld.
    Dani sah hinauf zur Wanduhr. Es war fast drei Uhr dreißig. »Ich muß zurück«, log sie zögernd. »Ich habe Unterricht.«
    Nora nickte. Dani stand auf, ging um den Tisch und küßte Nora auf die Wange. Impulsiv schlang Nora die Arme um sie.
    »Mach dir keine Sorgen, Mutter. Es wird schon alles gutgehen«, sagte sie leise. Nora lächelte mühsam. »Natürlich, Liebling. Wir sehen uns am Sonntag.«
    Sie sah, wie die Aufseherin sich erhob und Dani in den Korridor folgte. Dann schloß sich die Schwingtür hinter ihnen. Sie starrte in ihren Aschenbecher. Ihre Zigarette glimmte noch. Langsam drückte sie sie aus, nahm ihre Handtasche, holte den Spiegel heraus und verbesserte ihr Make-up ein wenig; dann ging sie.
    »Deine Mutter ist sehr schön, Dani«, sagte die Aufseherin, als sie zu Danis Zimmer gingen.
    Dani schaute die Aufseherin an. Das sagten alle, die ihre Mutter zum erstenmal sahen - und dann musterten sie sie, und sie fühlte fast körperlich, wie enttäuscht sie waren. »Was für ein hübsches Kind«, sagten sie dann meist, aber Dani wußte, was sie dachten.
    Sie ging in ihr Zimmer und schloß die Tür. Eine Zeitlang starrte sie auf die zerkratzte, bekritzelte Wand, dann streckte sie sich auf ihr Bett.
    Schön und begabt. Das war ihre Mutter. Alles, was sie selbst nicht war. Sie erinnerte sich, wie oft sie sich ins Atelier hinuntergeschlichen hatte, wenn ihre Mutter nicht da war, und versucht hatte, eines der herrlichen Dinge nachzuformen, wie sie ihre Mutter schuf. Aber alles, was sie in die Hand nahm, mißriet ihr kläglich. Schnell warf sie es fort, damit es nur keiner sah.
    Plötzlich merkte sie, daß sie lautlos weinte. Als ihr die Tränen versiegten, stand sie vom Bett auf und betrachtete sich in dem kleinen Spiegel. Nora sah sogar schön aus, wenn sie geweint hatte. Mit klaren Augen und blasser, strahlender Haut. Nicht so wie sie selbst, mit verquollenen Augen und rotem, geschwollenem Gesicht. Sie nahm das Päckchen >Wash ’N Dri<, das ihr die Mutter geschickt hatte, und riß ein Blatt ab. Sie drückte es auf ihr Gesicht und genoß das Gefühl der kühlen, mentholduftenden Feuchtigkeit, das ihrer Haut so wohltat.
    Sie dachte daran, wie Rick sie immer geneckt hatte, weil sie diese Papiertücher so liebte. Sie trug immer welche bei sich in ihrer Handtasche. Einmal, als sie zusammen gewesen waren und er mit geschlossenen Augen neben ihr auf dem Rücken lag, hatte sie eins genommen, um ihn damit zu erfrischen.
    Aber sie hatte ihn kaum damit berührt, als er wie wild auffuhr. »Um Gottes willen, Baby, was machst du da?«
    »Ich wollte dich nur wieder frisch machen«, hatte sie gesagt.
    Er hatte gelacht und sie wieder über sich gezogen. Sie liebte das leise Kratzen seines Bartes, wenn er ihre Kehle mit den Lippen liebkoste. »Du bist doch ein ganz verrücktes Baby!« hatte er gesagt und sie festgehalten, und dann taten seine Hände all die wundervollen Dinge, die sie nie wieder entbehren wollte.
    Sie merkte, daß ihr wieder die Tränen in die Augen kamen, und drängte sie zurück. Es hatte keinen Sinn, jetzt zu weinen. Es war niemand da, der sie trösten konnte. Früher hatte sie immer zu Rick gehen können, wenn ihr so jämmerlich zumute war. Dann hatte er gelächelt, und wenn er sie nur berührte, war aller Kummer verflogen. Aber jetzt nicht mehr.
    Sie zählte die Tage nach. Gestern war Sylvia weggebracht worden. Demnach war heute Freitag. Ricks Begräbnis mußte schon vorbei sein. Ob ihre Mutter wohl Blumen hingeschickt hatte?
    Wahrscheinlich nicht.

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