Wohin die Liebe führt
langsam den Kopf schüttelte.
Intuitiv begriff sie, was er meinte. Sie wandte sich wieder an das Kind.
»Du bist jetzt ein großes Mädchen, Dani. Viel zu groß, um noch eine Nanny zu brauchen.«
»Du hättest mir’s aber sagen müssen!« Danis Tränen flossen noch immer. »Das war nicht recht!«
»Mein Platz ist aber bei wirklichen Babys, Dani. Kleine Babys brauchen mich nötiger.«
»Ich brauche dich auch«, sagte Dani. »Du mußt jetzt mit mir nach Hause kommen.« Nun schüttelte Mrs. Holman langsam den Kopf. »Ich kann nicht, Dani.«
»Warum nicht?«
Mrs. Holman legte die Hand auf den Kinderwagen. »Dieses Baby braucht mich auch«, sagte sie einfach.
»Ich brauche dich aber viel nötiger! Du bist immer bei mir gewesen!«
»Und jetzt ist es Zeit, daß du ohne mich fertig wirst, Kind«, sagte die alte Frau. »Du bist ein großes Mädchen. Was kann ich noch für dich tun, als herumsitzen und zusehen, wie du kommst und gehst? Du kannst selbst auf dich achtgeben. Bist du nicht den ganzen Sommer gut ohne mich ausgekommen? Warum sollte das anders sein - nur weil du wieder zu Hause bist?« - »Aber ich habe dich doch lieb, Nanny!«
Mrs. Holman drückte sie wieder an sich. »Und ich habe dich auch lieb, meine kleine Dani.«
»Dann mußt du jetzt mitkommen!«
»Nein, Dani«, sagte die Bonne. »Ich kann nicht mitkommen. Deine Mutter hatte vollkommen recht. Sie sagte, eines Tages müßte es doch einmal sein.«
»Meine Mutter? Dann hatte ich recht. Sie hat dich fortgeschickt, Nanny!«
»Früher oder später mußte ich doch fort, Dani«, sagte die Bonne traurig. »Du bist nun schon zwölf Jahre. Fast eine junge Dame. Bald werden die Jungens dich besuchen kommen, und du wirst zu Tanzabenden und Partys gehen. Möchtest du dann, daß dir eine alte Nanny am Rockzipfel hängt? Du mußt jetzt dein eigenes Leben führen, Dani.«
»Hat Mutter dich weggeschickt?« fragte Dani hartnäckig.
»Wir haben uns geeinigt, daß es so am besten ist. Deine Mutter war sehr freundlich. Sie hat mir noch ein ganzes Jahr Übergangsgehalt gezahlt.«
»Aber du hättest darüber mit mir sprechen müssen«, sagte Dani. »Denn du warst meine Nanny und nicht Mutters.«
Mrs. Holman schwieg. Gegen Danis Logik kam sie nicht auf. »Ich glaube, du mußt jetzt gehen, Kind. Deine Mutter sorgt sich sonst, wo du so lange bleibst. Außerdem hat sie eine sehr hübsche Überraschung für dich.«
»Ich mach mir nichts aus ihren Überraschungen«, antwortete Dani. »Darf ich dich besuchen kommen? Ab und zu, meine ich. Das heißt. wenn du nicht zu mir kommen darfst?«
Mrs. Holman umarmte sie liebevoll. »Natürlich, Dani. Ich habe jeden zweiten Donnerstag frei. Vielleicht können wir uns dann nach der Schule treffen.«
Dani küßte sie auf die Wange. »Aber du wirst mir so schrecklich fehlen, Nanny!«
»Du mir auch.« Mrs. Holman waren die Tränen nahe. »Und nun mußt du gehen, sonst bekommt Charles Unannehmlichkeiten.«
Langsam ging Dani zum Wagen zurück. Sie blieb auf dem ganzen Heimweg schweigsam. Als sie fast zu Hause waren, beugte sie sich vor zum Chauffeurssitz. »Was für eine Überraschung hat Mutter für mich?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen, Miss Dani. Ich hab’s Ihrer Mutter versprechen müssen, daß ich Ihnen nichts verrate.«
Aber schließlich war es doch Charles, der das Geheimnis verraten mußte, denn ihre Mutter hatte im Atelier eine Besprechung und ließ sagen, sie wolle nicht gestört werden. Dani ging die Treppe hinauf. Charles folgte; als sie in ihr Zimmer abbiegen wollte, sagte er: »Nicht hier, Miss Dani. Hierher bitte!« Er drehte sich um und ging zum andern Ende des Korridors.
Sie folgte ihm. »Ist das die Überraschung?«
Er nickte, als sie vor der Tür eines der früheren Gästezimmer stehenblieben, des größten. Es lag weitab von Danis altem Zimmer und dem Schlafzimmer ihrer Mutter. Mit einer Verbeugung öffnete er die Tür.
»Nach Ihnen, Miss Dani!«
Der Raum war doppelt so groß wie ihr altes Zimmer. Alles war neu darin, vom großen Himmelbett bis zu dem eingebauten Fernsehgerät und dem Plattenspieler. Als Schrank diente, wie bei ihrer Mutter, ein kleiner Nebenraum. Auch ein Bad war eingebaut worden, mit eingelassener Wanne und einer Ankleideni-sche.
»Sie können den Fernseher und das Radio vom Bett aus bedienen!« sagte Charles stolz.
»Sehr hübsch«, sagte Dani ohne jede Begeisterung. Sie sah
sich um. »Wo ist meine Schatztruhe?«
»Sie paßte nicht zu den neuen Möbeln. Ihre Mutter hat sie auf den
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