Wohin die Liebe führt
Boden bringen lassen.«
»Bringen Sie sie herunter.«
»Jawohl, Miss Dani.«
»Was ist aus meinem alten Zimmer geworden?«
»Daraus hat Ihre Mutter ein Büro für Mister Riccio machen lassen. Und Mrs. Holmans altes Zimmer ist jetzt sein Schlafzimmer, Miss Dani.«
»Soooo«, sagte Dani gedehnt. Sie war alt genug, um zu wissen, was das bedeutete. Die Mädchen im Ferienheim flüsterten sich genug darüber zu, was zwischen den männlichen und weiblichen Erziehern vorging, die ihre Zimmer so dicht nebeneinander hatten.
Charles brachte ihr Handgepäck ins Zimmer. Ihr großer Koffer war schon da. »Ich werde Violet schicken, sie soll auspak-ken. Wir haben auf Sie gewartet, weil Sie den Kofferschlüssel haben.«
»Ich brauche keine Hilfe.«
»Natürlich brauchst du Hilfe!« Ihre Mutter sagte es. Sie stand in der offenen Tür. »Du kannst unmöglich alles selbst auspak-ken.«
Dani wandte sich ihr zu. »Ich habe alles selbst eingepackt«, sagte sie.
»Ich brauche Violets Hilfe nicht.«
Nora blickte sie an. Sie wußte, daß etwas nicht in Ordnung war. Sie sah zu Charles hinüber. Er nickte. »Ist das eine Art, deine Mutter zu begrüßen, nachdem du den ganzen Sommer fort gewesen bist? Komm her und laß dich ansehen.«
Sie beugte sich etwas herunter, damit Dani ihre Wange küßte. Gehorsam befolgte Dani den alten Ritus. Charles verließ das Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
»Warum hast du Nanny weggeschickt?« fragte Dani, kaum daß das Türschloß zuschnappte.
»Ist das deine erste Frage nach all der Mühe, die ich mir gegeben habe, dies Zimmer für dich einzurichten? Zumindest hättest du mir sagen können, wie es dir gefällt.«
»Es ist sehr nett.« Danis Ton verriet, daß es nichts gab, was ihr gleichgültiger sein konnte.
»Du kannst den Fernseher und den Plattenspieler vom Bett aus bedienen - dort sind die Schalter.«
»Ich weiß. Charles hat’s mir schon gesagt.«
Anscheinend erwartete Dani eine Antwort auf ihre Frage, aber Nora schien ebenso entschlossen, diese Antwort nicht zu geben. »Du bist gewachsen. Du bist fast so groß wie ich. Hast du dich gemessen?«
»Einsvierundfünfzig.«
»Dreh dich um«, sagte Nora. »Laß dich ansehen.«
Gehorsam drehte sich Dani langsam um sich selbst.
»Du bist aber nicht nur gewachsen, du bist ja schon eine junge Dame!«
»Ich trage Büstenhalter Größe drei«, sagte Dani, und in ihrer Stimme klang etwas wie Stolz. »Aber ich habe einen sehr breiten Rücken. Wenn ich so weiter wachse, werde ich nächsten Sommer mindestens Größe vier brauchen, meinte unsere Betreuerin.«
»Über solche Dinge sprechen junge Damen nicht«, sagte Nora gereizt. »Ich schicke dir Violet, sie soll dir auspacken helfen.«
»Ich will Violet nicht«, sagte Dani; ihre Stimme klang wieder mürrisch. »Ich will meine Nanny.«
Noras Geduld war zu Ende. »Also, deine Nanny ist nicht mehr hier. Wenn du dir nicht von Violet helfen lassen willst, mußt du es eben allein machen.«
»Ich brauche niemanden!« antwortete Dani scharf. Ihre Augen wurden feucht. »Warum hast du mir nicht gesagt, daß du Nanny fortschicken willst? Warum hast du mir’s verheimlicht?«
»Ich habe dir nichts verheimlicht«, sagte Nora zornig. »Du bist jetzt ein großes Mädchen, du brauchst keine Amme mehr!«
Dani begann zu weinen. »Du hättest mir’s sagen müssen!«
»Hör jetzt auf, dich wie ein Kind zu betragen! Ich muß dir überhaupt nichts sagen. Ich tue, was ich für richtig halte.«
»Das sagst du immer! Das hast du gesagt, als du Daddy weggeschickt hast. Das hast du gesagt, als du Onkel Sam weggeschickt hast! Jedesmal, wenn du siehst, daß mich jemand lieb hat - lieber als dich! -, dann schickst du ihn weg! Und deshalb hast du’s getan! Bloß deshalb!« - »Halte den Mund!«
Und zum erstenmal in ihrem Leben schlug Nora das Kind ins Gesicht. Danis Hand flog zu ihrer Wange, während sie ihre Mutter mit entsetzten Augen ansah. »Ich hasse dich! Ich hasse dich! Eines Tages wirst du jemanden ebenso liebhaben, wie ich es tue, und dann werde ich ihn von dir wegschicken! Dann wirst du endlich einmal fühlen, wie es ist!«
Nora fiel auf die Knie und wollte Dani umarmen. »Es tut mir leid, Dani«, flüsterte sie. »Es tut mir so leid. Ich wollte es nicht tun!«
Dani sah ihr ein paar Sekunden in die Augen, dann wandte sie sich ab und lief ins Badezimmer. »Geh weg! Laß mich allein!« schrie sie durch die geschlossene Tür. »Ich hasse dich! Ich.«
». hasse dich«, schloß sie leise.
Sally
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