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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Damm
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an deren Ende sich die Stadt Bozen befindet. Das Thal worinn Botzen liegt … gegen Mittag offen, gegen Norden von den Tiroler Bergen bedeckt. Eine Rast? Zustimmung. Von der Landstraße auf einen Feldweg, dann zwischen Wiesen einen Hang hinauf. Der weite Blick. Unsere Fahrt nach drunten war gewiß nicht so abenteuerlich wie die Goethes. Da der Brenner-Wirt seine Pferde am Morgen braucht, überredet er seinen
Gast, auf eine zweite Übernachtung zu verzichten und bei Mondschein talabwärts zu reisen. Um sieben fuhr ich vom Brenner weg … notiert Goethe. Der Postillon schlief ein und die Pferde liefen den schnellen Trab bergunter immer auf dem bekannten Wege fort, kamen sie an ein eben Flecken ging's desto langsamer, er erwachte und trieb und so kam ich sehr geschwind zwischen hohen Felsen, an den reißenden Etsch Fluß hinunter. Mehrmals dann Wechsel der Pferde. Über Sterzingen, Mittenwalde, Brixen ging es nach Colmann , wo Goethe am frühen Morgen anlangt. Er beklagt sich über die rasante Fahrweise: die Postillone fuhren daß einem oft Hören und Sehen verging ; von entsetzlicher Schnelle schreibt er.
    Der Sohn lacht, als ich das vorlese. Die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Postkutsche betrug damals – je nach Wegezustand – in etwa drei bis vier Kilometer die Stunde. Talabwärts mögen es vielleicht einige Kilometer mehr gewesen sein. Dann sind wir doch gut, statt 180 auf der Autobahn nur 80 auf der Landstraße oder 50 zu fahren. Auch hinter Bozen verschmähen wir die Autobahn, deren unablässiges Gedröhn zu uns herüberdringt. Wir lassen uns von der grünen Linie auf der Landkarte verführen. Nehmen den Weg durch die Dolomiten. Steile enge Straße, viele Kehren, atemberaubende Haarnadelkurven; ich möchte nicht am Steuer sitzen. Tobias fährt wie ein junger Gott.
    Über Mezzolombardo, Sarche und Arco erreichen wir gegen Abend Torbole am Gardasee. Ich wette, sagt der Sohn, Goethe war hier. Ich bestätige es. Das Örtchen liegt am nördlichen Ende des Sees , schreibt er
am 12. September 1787 an Charlotte, und, daß er die ersten Feigenbäume und die ersten Ölbäume voller Oliven gesehen habe. Die Menschen leben ein nachlässiges Schlaraffenleben.
    Wir essen in der Abendsonne im Freien unter Palmen an einem weißgedeckten Tisch. Gehen danach hinunter zum See. Eine Decke unterm Arm, eine Flasche Wein, »Vino di Goethe di Garda« (ein Buchhändler hat sie mir geschenkt). Wir trinken. Reden. Auch darüber, daß in der Nacht des 23. April der Hauptsitz des serbischen Radios und Fernsehens mitten im Zentrum Belgrads von Flugzeugen der NATO bombardiert wurde. Eine Verletzung des Genfer Abkommens, von amnesty international als Kriegsverbrechen eingestuft. Die unheilvollen achtundsiebzig Tage der Bombardierungen der NATO .
    Der Gardasee. Das gegenüberliegende Ufer mit Bergen und grünen Hügeln scheint menschenleer und unbelebt, als aber die Dämmerung kommt, gehen vereinzelt Lichter an, und mit der zunehmenden Dunkelheit werden es immer mehr. Unzählige kleine Ortschaften müssen sich dort drüben befinden.
    Wie war der Goethe-Satz mit der Weltschöpfung, fragt der Sohn. Zu meiner Weltschöpfung hab ich manches erobert. Später macht er allein noch einen Gang durch Torbole. Ich gehe schlafen.
     
    8. Juli
    Wir beginnen den Tag mit Schwimmen in dem zum Hotel gehörenden Freibad. Nehmen uns viel Zeit für das Frühstück. Schlaraffenleben . Dann die Straße am
Ufer des Largo di Garda entlang: Malcésine, Brenzone, Bardolino. Bei Peschiera fahren wir unter der Autobahn durch. Wir bleiben auf der Landstraße. Ein Schild: Mántova. Ich vermeine die Arie des Grafen von Mantua aus Verdis Oper »Rigoletto« zu hören. Die Poebene mit ihrer vielen Industrie. Unweit von Borgoforte überqueren wir den Fluß; breit und träge fließt der Po dahin. Hinter Réggio Nell'Emilia wird es leicht bergig. Wieder folgen wir der grünen Linie auf unserer Karte. Dann Sassuolo, Serramazzoni, Pontepetri; bei Pistoia erneut die Unterquerung der Autobahn. Schließlich Epoli, Castelfiorentino.
    Die Toskana. Wir übernachten in San Gimignano. Die Stadt liegt auf dem höchsten Punkt eines langgestreckten Bergrückens. Olivenhaine und Weinberge, soweit das Auge blicken kann. Der Gegensatz zu der grauschwarzen, von blendenden Schneeflächen unterbrochenen endlosen Einsamkeit der Berge auf meinem Weg im hohen Norden könnte nicht größer sein.
    Wieder Abendessen im Freien. Die elastische Luft , von der Goethe spricht, sie würkt auf die Organe

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