Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
wollte schon ihre Marke aus der Tasche ziehen, als es ihr wieder einfiel. „Ich würde gern mit Ms. Harris sprechen. Sie ist bestimmt sehr beschäftigt, aber ich bin eine alte Freundin von ihr.“ Lily lächelte. „Sagen Sie ihr, Lily Yu möchte sie sehen.“
„Eine alte Freundin?“, fragte Rule leise, als die Frau zum Haustelefon griff.
„Später.“
Die Empfangsdame legte nach einem kurzen Gespräch wieder auf und erhob sich. „Kommen Sie bitte mit!“
Lily folgte der eins achtzig großen, modisch gekleideten und mageren Blondine in den eigentlichen Salon, einen schicken großen Raum mit drei Meter hohen Palmen, dem Geruch von Chemikalien, dekorativen Kacheln und vielen Frauen. Mit Unmengen von Frauen. Jede einzelne starrte Rule an, als sie an ihnen vorbeigingen.
Ob die Empfangsdame lesbisch war?
Durch die Tür am anderen Ende des Raumes erreichten sie einen funktionelleren Bereich: einen kleinen, mit Teppich ausgelegten Flur mit Türen, die nach links und rechts abgingen. Lily unternahm den halbherzigen Versuch, sich einzureden, sie habe vor Erleichterung Herzklopfen. Sie war nicht sicher gewesen, ob Ginger sie empfangen würde.
Aber vor Erleichterung bekam man keine feuchten Hände.
Sie blieben vor der Tür zur Linken stehen. Der Julia-Roberts-Klon klopfte kurz an, öffnete die Tür und trat lächelnd zurück.
Gingers Büro war mit teurem Kitsch eingerichtet: eine Neonpalme in einer Ecke, pinkfarbene Plüschsessel für Besucher, ein Schreibtisch aus Chrom und Glas. Ginger saß jedoch nicht an ihrem Schreibtisch, sondern stand am Fenster, als sei sie in die Aussicht vertieft. Sie trug ein kurzes fuchsiafarbenes Stretchtop und eine enge Hüfthose, die ihr Bauchnabelpiercing voll zur Geltung brachte.
Sie drehte sich um, als die Tür ins Schloss fiel – und zog die Augenbrauen hoch. „Rule! Mit dir habe ich nicht gerechnet. Aber da du schon mal hier bist …“ Sie sah Lily an und grinste anzüglich. „Wir könnten einen flotten Dreier machen. Das Zweiersofa ist zu klein, aber man hat ja immer noch den Boden.“
Zu ihrem größten Ärger merkte Lily, dass sie errötete. „Heißt das, du hättest nichts gegen Sex mit einem Mörder? Besser gesagt, mit einem Mann, dem du einen Mord anhängen wolltest?“
„Na, du gehst aber ran!“ Ginger schüttelte den Kopf, und Lily glaubte, in ihren Augen ganz kurz einen Ausdruck von Gekränktheit gesehen zu haben. „Tja, aber du hast mich vermutlich nicht aufgesucht, um mit mir über die alten Zeiten zu plaudern.“
„Richtig. Ich sollte wohl noch erwähnen, dass ich nicht als Cop hier bin. Ich berate das FBI bei seinen Ermittlungen.“
„Das FBI ?“ Ginger fuhr sich mit der Hand in ihr kurzes rotes Haar und zupfte es zurecht. „Ist ja Wahnsinn! Sagte ich schon, dass ich bi bin?“ Sie musterte Lily von Kopf bis Fuß und setzte wieder ihr katzenhaftes Lächeln auf. „Hübsche Jacke!“
„Danke. Wer hat dich zu der Lüge verführt, du hättest Turner gestern Abend gesehen?“
„Ich habe nicht gelogen.“ Sie sah Rule an und zuckte mit den Schultern. „Ich wollte dich natürlich nicht in Schwierigkeiten bringen, Schätzchen.“
„Wie du siehst, waren die Schwierigkeiten auch nur von kurzer Dauer.“ Sein Lächeln war eiskalt. „Ich glaube, wenn man das FBI belügt, bekommt man weit mehr Ärger.“
„Könnte sein, dass ich mich getäuscht habe, aber ich dachte wirklich, du bist es.“ Sie wies auf die Plüschsessel. „Setzen wir uns doch. Kann ich euch etwas anbieten? Wir haben einen guten Chardonnay da, aber ihr könnt auch Zitronenlimonade haben, wenn ihr dienstlich und trocken bleiben wollt.“
Sich auf einen Plausch mit Ginger einzulassen, würde rein gar nichts bringen. Dann plapperte sie nur dummes Zeug, flirtete mit ihnen und verriet ihnen nichts Brauchbares.
Lily ging auf sie zu. „Diese Leute, die du schützt, das sind die wirklichen Mörder. Weißt du, was sie Therese Martin angetan haben? Sie haben ihr die Eingeweide herausgerissen! Sie haben sie furchtbar zugerichtet, und das in ihrer eigenen Wohnung, wo sie sich sicher fühlte.“
Ginger fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Das ist natürlich ganz schrecklich, aber es hat nichts mit mir zu tun. Vielleicht habe ich mich geirrt, was die Person angeht, die ich aus dem Haus kommen sah, vielleicht auch nicht. So oder so, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.“
„Was hast du überhaupt dort gemacht? Ich meine, nicht an diesem Abend – da warst du wohl im
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