Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
den Weg zurück zu ihrem Appartement ein. „Ich kann begreifen, was man an Hunden finden kann. Sie verstehen hierarchische Strukturen und wissen, dass man kooperieren muss. Sie kommen, wenn man sie ruft. Aber eine Katze … eine Katze lässt sich deine Nummer geben und sagt, sie ruft dich zurück. Vielleicht. Wenn sie gute Laune hat.“ Nicht, dass er jemals Harry gutgelaunt gesehen hätte. „Warum hast du dir keinen Hund angeschafft?“
„Glaubst du denn, ich hätte eine Wahl gehabt? Ich finde, die Art, wie sich eine Katze ihren Besitzer aussucht, ist gar nicht so verschieden vom Band der Gefährten.“
„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.“
Sie sah ihn nur an.
Er holte tief Luft und versuchte, seinen Ärger zu zügeln. „Wir füttern Harry und nehmen ihn dann mit in meine Wohnung.“
„Und wieder hast du vergessen, mich erst zu fragen.“
„Na und?“ Er wusste, er verhielt sich unvernünftig. Aber ihm war danach. Punkt.
Sie überraschte ihn. Er hatte nicht erwartet, dass sie schmollen würde. Lily neigte nicht zum Schmollen. Aber er hatte angenommen, sie würde einen Streit anfangen oder zumindest wütend werden. Stattdessen seufzte sie, machte ihren Sicherheitsgurt los und hievte sich auf die Mittelkonsole.
Mechanisch streckte er den Arm aus, um sie zu stützen. „Was ist jetzt …“
„Halt den Mund, Rule.“ Sie lehnte sich gegen ihn.
So, wie sie auf der Konsole hin und her wackelte, konnte es unmöglich bequem für sie sein. Sie war zwar nicht so hoch wie manch andere Modelle, aber wenn sie nur ein Stückchen größer gewesen wäre, hätte sie nicht daraufgepasst.
Ihr Kopf war jetzt auf seiner Höhe. Gewöhnlich war das nur der Fall, wenn sie zusammen im Bett lagen. Er konnte ihr Haar riechen – kürzlich hatte sie zu einem Apfelshampoo gewechselt, dessen Duft er mochte – und Lilys ganz eigenen moschusartigen, unbeschreiblichen Geruch.
Er legte den Arm locker um sie und hielt sie. Ihr Oberarm drückte gegen seinen, und ihre Wade schmiegte sich an sein rechtes Bein. Sie war warm. So warm.
Ach, zum Teufel! Er beschloss, probeweise auf ihren Vorschlag zu hören und den Mund zu halten.
Einige Häuserblocks weit fuhr er einhändig, schweigend und langsamer. Sein Arm würde natürlich den Sicherheitsgurt nicht ersetzen können.
Nach und nach beruhigten sich seine Gedanken. Er fand in den Takt der Stille – einen, den er nur in seinem Inneren hören konnte. Es war eine Stille, die ihn wohl beruhigte, ganz als ob er dem Wind lauschen oder den langsamen Puls der Erde unter seinen Füßen spüren würde, doch zugleich schärfte sie seine Aufmerksamkeit, besonders für Dinge, die er bis jetzt verdrängt hatte.
Sie fühlte sich so warm, so gut an. Und er konnte sie verlieren.
Ganz in der Nähe bellte ein Hund. Ein paar Straßen weiter hupte ein Auto. Er fuhr vorbei an dunklen Häusern, geschlossenen Geschäften und einem alten Chevy, aus dem laute Bässe wummerten. Er horchte auf das Schnurren des Motors, das Summen der Reifen auf dem Asphalt und das leise Flüstern ihres Atems.
Ob sie wohl seinen Atem hören konnte? Er war sich stets unsicher, wie gut Menschen hören konnten. In seiner anderen Gestalt wäre er in der Lage gewesen, ihren Herzschlag herauszuhören, aber als Zweibeiner war sein Gehör nicht ganz so scharf.
Natürlich hätte ihre Nähe in seiner Wolfsgestalt auch nicht die gleiche Wirkung auf ihn gehabt wie jetzt. Er war sich seines eigenen Pulsschlags bewusst, wie er in seinen Ohren klang, und der Hitze und des Gewichts in seinem Schoß. Verlangen streifte ihn mit schweren Flügeln, die zwischen Begierde und Panik flatterten.
Er konnte sie verlieren.
Als er in die Stichstraße einbog, die zu ihrem Apartmentkomplex führte, sagte sie leise: „Ich habe auch Angst um dich.“
Die Hand, die ihre Hüfte hielt, griff fester zu. „Wenn du auf unser Clangut gehen würdest …“
„Ich kann Harlowe nicht fassen, wenn ich irgendwo weggesperrt werde.“
„Ich weiß. Ich weiß, aber das macht es nicht einfacher.“
„Was willst du von mir hören?“
Dass sie ihren Job aufgab und auf dem Clangut blieb, damit er sie in Sicherheit wusste. Dass sie … jemand anders war als die, die sie war: seine Auserwählte. Die Einzige für ihn, jetzt und für den Rest seines Lebens. Und ein Cop.
Sein Instinkt riet ihm, sie zu beschützen. Genauso, wie sie ihn schützen wollte. Und er war sich schon aus diesem Grund sicher: Langweilig würde es ihnen wohl nie werden.
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