Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
für das Abendessen ist. Den Flur hinunter gibt es einen Pausenraum. Dort können wir uns über das hermachen, was Baxter uns gnädigerweise übrig lässt.“
Der hatte sich bereits mit drei Stücken bedient. „Gehen Sie ruhig. Das FBI wird’s überleben, wenn Sie sich für ein paar Minuten verdrücken.“
Der Pausenraum war nur vier Türen weiter und zu dieser Zeit vollkommen leer. „Wo ist Cynna?“, fragte Rule.
„Wir haben nichts in der Hand, das sie nutzen könnte, um Harlowe aufzuspüren. Deswegen hilft sie gerade einem anderen Team. Kindesentführung durch ein Elternteil. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie den Jungen finden würde.“ Lily riss ein paar Blätter von einer Küchenrolle – Tellerersatz und Serviette in einem. „Was sollte das eben? Als du mich deine ‚Dame‘ nanntest?“
Rule stopfte Münzen in den Getränkeautomaten. Er lächelte sie über die Schulter an. „Bist du das denn nicht?“
„Es hört sich so …“ Er hörte sich an, als spräche er von seiner Göttin, aber das wagte Lily nicht zu sagen. „Es klingt irgendwie mittelalterlich. Als würdest du gleich auf dein Schlachtross steigen, um jemanden mit der Lanze zu erstechen.“
„Auf das Schlachtross kann ich verzichten. Pferde mögen uns nicht.“ Er brachte zwei Dosen Limonade an den Tisch – Diätcola für sie, das Zuckerwasser für ihn. „Baxter ist ungewöhnlich entspannt in meiner Anwesenheit.“
„Ich habe ihm gesagt, dass du ein ziviler Berater bist.“
„Da steckt noch mehr dahinter. Gewöhnlich fühlen die Menschen sich von mir bedroht und reagieren mit Furcht oder mit Aggression oder sogar mit beidem. Es ist eine instinktive, rein körperliche Reaktion, nicht bewusst zu kontrollieren. Aber er übersieht mich fast ganz. Das kommt nicht oft vor.“
Das glaubte sie ihm gern. Rule war nicht leicht zu übersehen. „Ich spüre an ihm einen Hauch von … nun, von Andersartigkeit. Zu schwach, um sie zu identifizieren. Aber sie ist da. Ich vermute, er hat eine Hexe oder vielleicht einen Andersblütigen unter seinen Vorfahren. Das macht ihn vielleicht toleranter als andere.“ Der Duft der Pizza ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sie nahm sich ein Stück und biss hinein.
„Vielleicht.“ Er setzte sich und griff ebenfalls nach der Pizza. Der warme Käse zog lange Fäden. „Deine Schwester hat zivil geheiratet, nicht kirchlich.“
Sie guckte überrascht. „Wie kommst du jetzt darauf?“
„Dachtest du nicht eben, dass ‚meine Dame‘ sich sehr nach der Dame anhört?“
„Hast du jetzt auch die Gabe der Telepathie?“
„Nein, für meine Einsichten in deine Psyche muss ich immer hart arbeiten. Ist es vor allem mein Glaube, mit dem du Probleme hast, oder Religion im Allgemeinen?“
Sie widerstand dem Drang, auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen. „Ich finde lediglich, dass solche Sachen Privatangelegenheiten sind. Es stört mich, wenn Leute ihren Glauben offen zur Schau tragen.“
„Wie Unterwäsche, meinst du.“
Sie grinste. „So ungefähr.“
„Ich frage mich, ob das nur deine eigene Meinung ist oder auch die deiner Familie?“
Die Pizza war mit Pilzen belegt. Lily war nicht gerade ein Fan von Pilzen. Sie pickte sie heraus. „Meiner Familie, glaube ich. Die Religionskriege waren wohl beinahe beendet, als ich sechs war, aber der Waffenstillstand wurde immer wieder von Gefechten unterbrochen – echten Frieden habe ich also nie erlebt.“
„Deine Eltern sind unterschiedlichen Glaubens?“
„Meine Mutter ist zweimal im Jahr Christin – zu Ostern und zu Weihnachten. Mein Vater wurde als Buddhist erzogen, aber ich bin mir nicht sicher, wie wichtig der Glaube für ihn wirklich ist. Man sollte meinen, sie hätten einen Kompromiss finden können, da sie doch beide nicht besonders gläubig sind, aber …“ Sie zuckte mit der unverletzten Schulter. Die Pizza wurde kalt, deswegen nahm sie schnell noch einen Bissen.
„Also hast du dich daran gewöhnt, das Thema zu vermeiden, damit es nicht wieder zum Streit kommt.“ Er nickte. „Hast du nicht manchmal doch darüber nachgedacht?“
„Eigentlich nicht.“ Ohne aufzusehen, suchte Lily weiter nach Pilzen. „Als ich Teenager war, habe ich die typische Phase mitgemacht, in der man alles hinterfragt: Warum lebe ich? Was hat das alles für einen Sinn? So in der Art. Und mir kam es so vor, als habe jeder eine andere Antwort, ohne mir sagen zu können, warum.“
„Du wolltest für alles Erklärungen und Begründungen.“
„Was ist
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