Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
zeigt sie dir sicher gern, wenn du ihn darum bittest.“
Henry? Wer … oh. „Der Hausmann oder Koch, oder was auch immer er ist, deines Vaters. Er verwahrt eure Familienfotos?“
„Henry gehört seit vielen Jahren zu unserer Familie. Er hat mich mit großgezogen.“
Rule war nicht nur von seinem Vater allein gezeugt worden, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals ein zweites Elternteil erwähnt hätte. Deswegen war sie jetzt vorsichtig, als sie sich weiter vortastete: „Du hast mir nie von deiner Mutter erzählt.“
„Ich hatte viele Mütter. Für unsereinen sind Kinder sehr wichtig.“
Okay, diese Tür wollte er geschlossen halten. Das würde sie respektieren. Vorerst. Außerdem war jetzt nicht der geeignete Moment, solch persönliche Dinge zu besprechen. „Ich nehme an, Nettie war eine von diesen mütterlichen …“ Sie verstummte, als sie verstand. „Oder nicht. Sie, äh … sie müsste in deinem Alter sein. So ungefähr. Wahrscheinlich habt ihr zusammen gespielt.“
„Oh … das graue Haar täuscht. Nettie ist erst vierundvierzig.“ Er zögerte. „Sie ist meine Nichte.“
„Deine … Nichte?“
Er nickte. „Sie wurde im Haus ihrer Mutter großgezogen, aber den Sommer verbrachte sie meist auf dem Clangut bei Benedict.“
Nettie sah älter aus als Rule. Sogar älter als Lilys Vater. Wirkte es sich auf eine Familie aus, wenn die eine Hälfte – die Frauen – so viel schneller alterte als die andere? „Wie alt ist Benedict?“
„Vierundsechzig.“
Gott. Er sah älter aus als Rule, aber sie hätte ihn auf ungefähr vierzig geschätzt. Er hatte noch achtzig Jahre oder mehr zu leben, während seine Tochter … „Verdammt“, sagte sie leise. „Er wird miterleben, wie sie älter wird. Und sie wird ihn nie als alten Mann sehen können.“
„Für keinen von uns ist es einfach, eine Tochter zu haben, wenn man noch jung ist.“
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Ist das der Grund, warum du nicht heiratest? Warum Lupi nicht an eine Heirat glauben? Vor einer Ehefrau könntest du dein Geheimnis nicht verbergen. Sie würde altern und du nicht, nicht so wie sie zumindest. Und sie würde sterben. Das muss hart sein.“
Rules Gesicht war eine ausdruckslose Maske. „Das ist auch ein Grund.“
„Ich werde vor dir altern und sterben.“ Nun war es heraus. Gesagt. Ihr Herz klopfte ziemlich unregelmäßig.
„Möglicherweise.“
Ihre Augenbrauen gingen hoch. „Wenn du doppelt so lange lebst wie ein durchschnittlicher Mensch, dann macht das hundertfünfzig Jahre und mehr. Vorausgesetzt, ich bleibe gesund, werde ich fünfundachtzig, neunzig Jahre alt. Wenn ich achtzig und tatterig bin, wirst du knackige hundertacht sein.“
„Manchmal altert eine Auserwählte fast so langsam wie wir. Nicht immer. Warum, wissen wir nicht.“
Er wusste nicht, ob er sie verlieren würde, wenn noch viele Jahre vor ihm lagen. Nichtwissen war manchmal schwerer zu ertragen als Wissen und Verzweiflung. Sie berührte seine Hand.
Er ergriff ihre so plötzlich, als wüsste er, was sie dachte. Als wollte er sie allein durch Willenskraft jung erhalten. Einen Moment später lockerte sich sein Griff. Er schüttelte leicht den Kopf und ließ ihre Hand los. „Ich habe im Moment genug Probleme, um mir Sorgen um etwas zu machen, das weit in der Zukunft liegt. Heute Abend muss ich mich jedenfalls um Clanangelegenheiten kümmern.“
„Okay. Worum geht’s?“
„Der Rho hat beschlossen, ein Großtreffen der Clans einzuberufen.“ Er fegte die Pizzakrümel vom Tisch in seine Hände und warf sie in die Pappschachtel. „Ich werde gebraucht, um einige der Kontakte herzustellen.“
„Was ist ein Großtreffen? Eine Art Zusammenkunft aller Clans?“
„Ja. Im Schnitt wird es alle sieben Jahre abgehalten. Das letzte fand erst vor zwei Jahren statt, also ist jetzt eigentlich keines fällig. Aber im Notfall kann das Treffen jederzeit einberufen werden. Der Rho glaubt, wir haben einen solchen Notfall.“
„Ihretwegen, meinst du. Der Göttin wegen. Sie hat es auf Lupi abgesehen.“
„Stimmt. Wir haben bereits versucht, vor ihr zu warnen, aber die meisten weigern sich, es ernst zu nehmen, so unfassbar ist das Ganze.“
„Was hofft dein Vater dann zu erreichen? Denkt er, dir wird es gelingen, die Skeptiker davon zu überzeugen, das Sie eine echte Bedrohung darstellt?“
„Ich stelle nie Vermutungen darüber an, welche Absichten Isen hegt“, sagte Rule nüchtern. „Aber das ist sicher eines seiner Ziele. Er will
Weitere Kostenlose Bücher