Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
Rhej hatte ganze Arbeit geleistet, und auch wenn ihr immer noch nicht ganz wohl war bei dem Gedanken an gestohlene oder geliehene Magie, musste sie doch zugeben, dass das Ergebnis für sich sprach. Zwei Ibuprofen würden sie schon wieder auf die Beine bringen.
Das Licht, das durch den Spalt zwischen den Vorhängen fiel, war schmutzig grau. Entweder war es noch sehr früh, oder der Tag war in derselben Stimmung erwacht wie sie. Jedenfalls konnte sie jetzt genauso gut aufstehen.
Sie tapste zum Fenster und warf einen Blick hinaus. Der Tag war angebrochen, aber es war noch dämmrig. Es sah aus, als würde es einer dieser düsteren Tage werden, wenn Mutter Natur das Alter in den Knien spürte und deswegen schlecht gelaunt war.
Ein dringendes Bedürfnis machte sich unangenehm bemerkbar, und sie hastete ins Badezimmer. Sie war zwar unbekleidet, aber sie fühlte sich nicht nackt. Magie bedeckte ihre Haut wie ein unsichtbares Fell, und die verschlungenen Muster, die es zusammenhielten, wirkten wie eine Art Schutzschild.
Sie machte kein Licht. Sie brauchte keines, denn sie kannte den engen Raum ganz gut. Nachdem sie ihre Blase geleert hatte, wusch sie sich die Hände und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Doch es half nichts. Der Traum umfing sie wie Spinnweben, wie klebrige Fäden aus Erinnerungen und Gefühlen.
Wie sich die Dinge doch ändern … Niemand durfte heute mehr ungestraft zutreten, aber die erwachsene Cynna schlug immer noch zu schnell und zu fest zurück, um sich gegen Prügel zu wehren, die vor fünfundzwanzig Jahren passiert waren. Und sie hatte es nicht geschafft, ihre Mutter zu retten. Nach ein paar Jahren Therapie war sie so weit gewesen zu akzeptieren, dass es nicht ihre Aufgabe gewesen war, aber manchmal überkam sie auch heute noch hilflose Wut.
Das war alles nichts Neues, daran war sie gewöhnt. Sie verstand nicht, warum sie im Traum immer wieder dahin zurückkehrte.
Was Jiri betraf … Ihr Unterbewusstsein war nicht gerade sehr vielschichtig. Sie hatte Angst vor ihrer ehemaligen Lehrerin, aber sie musste diese Angst überwinden und Jiri finden. Da war es nicht überraschend, dass in ihrem Traum alte und neue Ängste durcheinandergerieten.
Wie spät war es überhaupt?
Sie war gerade auf dem Weg zurück zum Bett und zu der Uhr auf dem Nachttisch, als ihr Handy zirpte. Sie machte kehrt und bückte sich, um in der Umhängetasche zu wühlen, die sie am Fußende des Bettes hatte fallen lassen. Sie lag unter den Kleidern, die sie abgestreift hatte, bevor sie gestern Nacht ins Bett gefallen war.
Die Anruferkennung zeigte ihr, wer anrief. „Hi“, sagte sie. „Tut mir leid, wenn ich zu spät bin, aber …“
„Es ist acht Uhr zweiundvierzig, und es ist Samstag. Ich hatte Angst, ich würde dich wecken“, sagte Lily.
„Nein, nein, ich bin wach. Nicht gerade hellwach, aber wach.“ Mit drei Schritten war sie am Nachttisch. Sie knipste die Lampe an und blinzelte in das plötzliche Licht.
„Wie geht es deinem Kopf? Bist du fit genug, um zu fahren? Großmutter will uns etwas sagen.“
Cynna runzelte die Stirn. Sie war immer noch kaputt, aber … „Du hast angerufen, weil du willst, dass ich deine Großmutter kennenlerne?“
„Tut mir leid. Ich hatte ganz vergessen, dass du sie noch nicht kennst. Da klingt das wahrscheinlich ein bisschen seltsam, das mit meiner Großmutter ist schwer zu erklären. Aber wenn sie sagt, dass sie uns etwas sagen will, von dem sie meint, dass wir es wissen sollten, dann sollten wir uns das lieber anhören. Ich habe erzählt, was passiert ist und …“
„Du hast deiner Großmutter Bescheid gesagt.“
„Ruben hätte nichts dagegen. Großmutter hat schon mit der Einheit zusammengearbeitet, inoffiziell. Sie … äh, sie hält sich lieber im Hintergrund. Kannst du in einer Stunde oder so hier sein?“
„Klar. Ich nehm’s zumindest an.“ Cynnas Kiefer knackte, als sie herzhaft gähnte. Die Neugier weckte ein paar Gehirnzellen bei ihr. „Meinem Kopf geht es schon viel besser. Fahren könnte ich also, aber ich habe kein Auto. Cullen hat deinen.“
„Er ist nicht bei dir geblieben? Irgendwie hatte ich den Eindruck …“ Lily war zartfühlend genug, den Satz nicht zu beenden.
„Wir arbeiten daran.“
„Dann sage ich ihm, er soll dich abholen. Ach … Rule sagt, ihr braucht euch nicht mit Frühstück aufzuhalten. Er macht irgendwas mit Eiern. Wir haben schon so viele Mäuler zu stopfen, dass es auf ein paar mehr auch nicht mehr ankommt.“
Sie verabschiedeten
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