Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
lang, und sie war schneller als die meisten Kinder in ihrer Klasse.
Manchmal war es sehr nützlich, wenn man schnell laufen konnte.
Saritas große Schwester ging mit Tom-Tom, deshalb wäre es sicherer, wenn sie dabei wäre. Aber sie konnte auf sich selbst aufpassen. Das musste sie ja auch, nicht wahr? Mama war zu krank, um mit ihr auf den Spielplatz zu gehen wie früher. Mama war zu krank für viele Dinge.
Der Himmel war so grau, als würde es bald regnen oder sogar schneien. Sie musste unbedingt heute noch auf den Spielplatz. Die Erwachsenen redeten darüber, wie toll der Frühling war mit seinem frischen Gras und den Blumen, aber da, wo sie wohnte, hatte niemand einen Rasen, und die einzigen Blumen waren die in den Plastiktöpfen bei Thompson, dem Supermarkt, wo sie einkauften. Mit Essensmarken konnte man sich keine Blumen kaufen, deswegen hatten sie nie eine Topfblume zu Hause.
Cynna mochte den Herbst. Dann fing die Schule wieder an, und in der Schule war man beinahe sicher. Vor ein paar von den größeren Kindern musste man sich in Acht nehmen, aber gegen die Kinder in ihrem Alter konnte sie sich durchsetzen. Außerdem war es kühler im Herbst, und nach einem langen Sommer ohne Klimaanlage waren die ersten kühlen Abende himmlisch.
Aber am meisten mochte sie es, wenn die Blätter fielen. Nachdem sie den ganzen Sommer so hoch oben gehangen hatten, lösten sie sich jetzt und kamen zu ihr herunter auf die Erde.
Auf jeden Fall war es besser, heute auf den Spielplatz zu gehen, als zu Hause zu bleiben. Mama war schon wieder weggetreten.
Ihre Mama war krank. Sie konnte sich nicht selber helfen. Das sagte jedenfalls Mrs Johnson, und vielleicht hatte sie recht, aber Cynna konnte ihr auch nicht helfen. Immer wieder hatte sie es versucht, aber es war ihr nicht gelungen. Früher hatte sie geglaubt, es wäre möglich. Dass sie, wenn sie sich nur besser um sie kümmern würde, ihre richtige Mama zurückbekommen würde, die, die ihr vorgelesen und ihr jeden Abend etwas zu essen gemacht hatte und die mit ihr auf den Spielplatz gegangen war, um sie auf der Schaukel anzustoßen.
Als sie heute aus der Schule gekommen war, hatte Mama auf der Couch gelegen, völlig weggetreten und nach Jim Beam stinkend. Sie war wütend geworden. Ganz furchtbar wütend. Sie hatte sie geschüttelt und geschüttelt, aber Mama wachte einfach nicht auf.
Cynna hätte sie am liebsten geschlagen. Doch Mama hätte es nicht einmal gemerkt. Sie hätte sie in den Bauch boxen können, und Mama hätte es nicht gemerkt. Ihr eigener Bauch zog sich zusammen, als sie daran dachte. Besser, sie ging in den Park und trat in Laubhaufen.
Das Problem mit dem Spielplatz war nicht, dass man ein paar Straßen weit laufen musste. Das Problem waren die großen Kinder, die dort herumhingen. Kinder, die seit Kurzem bunte Sachen anhatten, wie Tom-Tom und Raphael und Derek. Der Spielplatz war ihr Revier, und man musste Zoll zahlen.
Cynna hatte kein eigenes Geld, deswegen hatte sie einen Fünf-Dollar-Schein und drei Dollarmünzen aus der Kaffeedose gestohlen, in der Mama ihr Geld aufbewahrte. Ein schlechtes Gewissen hatte sie deswegen nicht. Mama würde es sowieso nur vertrinken oder verrauchen. Mit den fünf Dollar konnte sie etwas fürs Abendessen kaufen, denn im Kühlschrank waren nur noch Mayonnaise, saure Gurken und irgendetwas in einer alten Butterdose, das oben schon grün wurde. Die Münzen waren für den Zoll.
Wenn sie Glück hatte, war Derek nicht da. Tom-Tom war in Ordnung, und Raphael warf nicht so schlimm. Aber vor Derek hatte sie Angst. Er langweilte sich schnell, und wenn er sich langweilte, legte er sich gern mit jemandem an, egal mit wem. Es sei denn, er hatte Drogen genommen. Dann wurde er gefährlich. Wenn Amy mitgekommen wäre, um mit Tom-Tom zu knutschen, dann würde sie keinen Zoll brauchen. Aber sie war nicht dabei.
Cynna verstand nicht, warum Amy Tom-Tom gern küsste …
Moment mal. Doch, ich weiß es. Jetzt mag ich Küssen. Ich habe gerade jemanden geküsst. Cullen. Ja. Das war schön, und ich … ich …
Dieses Mal bekam sie die Augen auf. Es war dunkel. Um sie herum war es sehr dunkel, aber sie sah einen Lichtschimmer … die Vorhänge, ja, die Vorhänge waren nicht ganz zugezogen. Sie war in einem Hotel. In welchem? Wo?
Sie versuchte nachzudenken, aber sie war so müde. Der Traum zog an ihr, zerrte sie wieder hinunter in die Tiefe. Nein, sie wollte nicht noch einmal dorthin. Aber die Augen wurden ihr schwer, sie wollten nicht …
… sie
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