Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
sich und legten auf. Cynna legte das Handy weg und machte sich Gedanken über die Großmutter und dass das schwer zu erklären war, dass sie aber schon inoffiziell für die Einheit gearbeitet hatte. Mit der anderen Hand rieb sie sich über das Gesicht. Und erstarrte. Sie schaute auf ihre Handfläche.
Auf ihre nackte Handfläche – so hätte es zumindest sein sollen. Doch jetzt war da etwas. Auf dem weichen Hügel unter ihrem Daumen befand sich ein neues kilingo , zarte Linien, die aussahen wie die Adern eines getrockneten Blattes.
Es stammte nicht von ihr.
Es stammte von Jiri.
25
Die Küche roch nach Zwiebeln, Petersilie, Paprika und nach Menschen – Menschen, die Rule kannte und mochte, Menschen, die ihm etwas bedeuteten. Lily schnitt die Kartoffeln, die sie vorher geschält hatte; Benedict lehnte an der Wand neben der Tür und sah zu; und Toby saß an dem runden Tisch und las. Draußen nieselte es wie, mit ein paar Unterbrechungen, schon die ganze Nacht.
Rule war glücklich.
„Wie heißt das noch mal, was wir machen?“, fragte Lily.
„Eine Frittata.“ Rule blickte über die Schulter. Lily hatte darauf bestanden, dass er ihr ein paar Grundkenntnisse im Kochen beibrachte. Nicht, weil sie ihre Liebe zum Kochen entdeckt hatte. Sie wurde nur ganz zappelig, wenn er die ganze Arbeit machte.
Im Augenblick würfelte sie Kartoffeln … ganz langsam. Das Essen zuzubereiten dauerte mit ihrer Hilfe länger als sonst, aber er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie irgendwann in die Gänge kommen würde. „Hättest du gern einen Zollstock?“, fragte er höflich, während er die Eier schaumig schlug.
„Das ist Sarkasmus“, stellte sie fest, ohne aufzusehen. Mit Bedacht setzte sie den nächsten Schnitt. „Du hast gesagt, du wolltest Würfel von einem Zentimeter.“
„Du darfst ruhig hier und da ein paar Millimeter abweichen.“
Toby hob den Blick von seinem Buch. „Ist es bald fertig?“
„Nein. Aber du kannst das Brot schneiden. Die beiden runden Laibe in der Speisekammer.“
„Aber ich bin …“
„Toby.“
Sein Sohn seufzte tief, legte das Buch mit dem Rücken nach oben auf den Tisch und ging zur Speisekammer.
Lilys Beitrag zu der plötzlichen Familienschwemme befand sich im Wohnzimmer. Lily sagte, dass Li Qin sicher gern bereit wäre zu helfen, wenn man sie fragen würde, dass sie aber selber ihre Hilfe nicht anbieten würde. Das wäre unhöflich, weil es andeutete, dass die Gastgeber nicht ohne sie klarkämen. Dass ihre Großmutter nicht in der Lage war, zu helfen, musste sie nicht erst erklären. Madame Yu nahm die Dinge in die Hand, sie half nicht.
Die beiden alten Frauen waren gestern schon früh zu Bett gegangen. Und waren daher auch früh auf gewesen. Li Qin war in die Küche heruntergekommen, um Tee für sie beide zu machen, und hatte darum gebeten, dass Lily zu ihrer Großmutter gehen sollte. Bei dieser Zusammenkunft war Rule nicht dabei gewesen, aber er nahm an, dass Lily Madame Yu alles erzählt hatte.
Der Austausch war nicht gegenseitig gewesen. Madame Yu wollte ein größeres Publikum für ihre Erklärungen, wie immer diese auch geartet waren.
Lily trug das Schneidebrett zu ihm hinüber, auf dem ein Häufchen mit säuberlich geschnittenen Kartoffelwürfeln lag. Mit leiser Stimme sagte sie: „Bist du sicher, dass er das übernehmen sollte? Er hat noch keine Superduperheilkräfte.“
„Er schafft das schon. Das Brotmesser ist gezackt, damit sägt er und schneidet nicht. Man muss schon sehr unaufmerksam sein, um sich selber in den Finger zu sägen.“
„Wenn du das sagst.“ Sie strich sich das Haar hinters Ohr und warf einen schnellen Blick zu Toby, wahrscheinlich um zu schauen, ob er blutete. „Und jetzt?“
„Du könntest den Käse reiben.“
„Wie viel?“
Er hatte keine Ahnung. Er kochte nach Gefühl und nach Erfahrung. Aber sie musste alles genau abmessen, sonst wusste sie nicht, ob sie es richtig machte. Also nannte er ihr eine exakte Zahl. „Drei Tassen.“
„Okay.“ Sie ging zum Kühlschrank.
Er trug die Kartoffeln zum Herd, stellte die Flamme unter der Pfanne an und gab ein ordentliches Stück Butter hinein. Er sah sie an, einfach nur, weil es ihm Freude machte. Das Verlangen durchfuhr ihn.
Ah, Mist. Dieser Wolf war ein verdammter Spielverderber.
Heute Morgen um sechs Uhr hatte er mit seiner Buße begonnen. Er hatte erwartet, dass es ihm schwerfallen würde, sich nach zehn Minuten zurückzuverwandeln. Nicht nur wegen der magischen Belastung.
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