Wolf Shadow Bd. 4 - Finstere Begierde
drückte dann einen Knopf an ihrer Uhr. Das Zifferblatt wurde hell. „Neun Stunden und einunddreißig Minuten.“
Wenn sie nicht die letzten viereinhalb Wochen lang die Realität verleugnet hätte … Cullen rieb sich mit der Hand über den Kopf und versuchte, seine Wut zu zügeln, auch wenn die Zügel rutschig waren. „Ich verstehe. Du brauchst Zeit, um dich an den Gedanken zu gewöhnen. Und währenddessen …“
Du hast nicht gefragt, ob du jemanden mitbringen darfst.
Die Stimme war tief, missbilligend und seltsam klangvoll, obwohl er sie nur im Kopf hörte. Auch Cynna hörte sie, wenn er ihre Miene richtig deutete. „Hallo, Mika“, sagte Cullen. „Der Mensch, der mich begleitet, ist Cynna Weaver. Ich habe dir von ihr erzählt. Wir wollen dir einen Handel vorschlagen.“
„Du kannst ihn hören?“, fragte Cynna. „Hast du dein Schild deaktiviert?“
„Schilde. Plural, schon vergessen? Eines davon gilt speziell für die Gedankensprache. Das lasse ich normalerweise deaktiviert.“ Die anderen Schilde konnte er immer noch nicht gut genug voneinander trennen, um sie einzeln zu benutzen. Er wusste ja noch nicht einmal, wie viele er insgesamt hatte. Aber der Schild für die Gedankensprache war der oberste und damit am einfachsten von den anderen zu lösen. Als er erst einmal den Dreh heraushatte, war es, als hätte er das Tor in einen Vorgarten geöffnet, aber die Haustür blieb weiterhin verschlossen.
Dein Timing ist nicht das beste, Mika.
„Ist sie die, die trächtig ist?“
Drachen konnten ein, zwei oder auch alle Wesen in ihrer Umgebung in der Gedankensprache ansprechen. Dieses Mal fühlte sich die Stimme in seinem Kopf an, als stünde Mika direkt neben Cullens Schulter und würde mit ihm allein sprechen. Die Gedanken waren, wie immer, klar und knapp.
Ja , antwortete er schweigend.
Du kannst näher kommen, Cynna Weaver. Du bist der erste trächtige Mensch, den ich kennenlerne.
Cynna verdrehte die Augen. „Toll. Ich bin ein Kuriosum.“
„Besser als eine Zwischenmahlzeit.“ Ich habe Cynna etwas unter vier Augen mitzuteilen , sagte Cullen zu Mika und schloss im Geist das Tor zu seinem Vorgarten. Er packte Cynna bei der Hand. „Bevor wir zu Mika gehen, muss ich dir noch zwei Sachen sagen. Sieh ihm nicht in die Augen …“
„Das weiß ich.“ Sie wollte ihm ihre Hand entziehen.
Er ließ sie nicht los. „Und ich möchte dich bitten, noch über eine weitere Option für unser Kind nachzudenken.“
Sie hielt still und sah ihn argwöhnisch an.
„Du könntest mich heiraten.“
8
Ein leichter Wind kitzelte die nackten Bäume und rieb Äste und Zweige gegeneinander wie Finger aus Sandpapier. Derselbe Wind zupfte an Cynnas Haar und kühlte ihre Wangen. Der Himmel war wie mit Aquarellfarben gemalt, schwarz mit vereinzelten kohlefarbenen Strichen, wo Wolkenfetzen die Lichter der Stadt reflektierten. Nur einige wenige Sterne lugten durch den Dunst.
Sie konnte Cullens Gesichtsausdruck nicht sehen, nur die hellen Umrisse seines Gesichts in der Dunkelheit. „Du hast mir einen Antrag gemacht“, sagte sie verdutzt. „Du hast mir einen Heiratsantrag gemacht.“
„Ja.“
„Hochzeit.“
„Das wäre eine vernünftige Lösung.“
„Lupi heiraten nicht. Niemals.“
„Oh, stimmt ja. Gut, dass du mich daran erinnerst. Das hatte ich ganz vergessen.“
Cullens Sarkasmus verpuffte. Die ganze Situation war zu seltsam. Sie konnte nicht sagen, wie sie sich fühlte … doch, sie konnte. Sie war glücklich. Sie wusste nicht, warum, aber sein Antrag – so sinnlos und rätselhaft er auch war – machte sie glücklich. Das hieß, dass sie genauso verrückt war wie er, aber wen interessierte das? Cynna lächelte über ihre beiderseitige Verrücktheit und tätschelte seinen Arm. „Ich werde dich nicht heiraten.“
Stirnrunzelnd blickte er auf ihre Hand, als nähme er sie zum ersten Mal wahr. „Warum nicht? Das ist eine saubere Lösung. Wir sind Freunde, wir haben guten Sex miteinander, und wir haben ein Kind zusammen gemacht. Die Ehe würde uns beiden die gleichen Rechte an dem Kind geben, und wenn … nun, da sei die Dame vor, aber falls du verletzt werden solltest, hätte ich auch etwas zu sagen.“
Sie lachte lauthals. „Du meinst, wenn ich hirntot bin, kannst du ihnen sagen, sie sollen mich künstlich am Leben erhalten, bis das Baby geboren ist? Na, das ist ja ein reizender Gedanke.“
Er legte den Kopf in den Nacken und seufzte laut. „Warum habe ich das Gefühl, dass du meinen Vorschlag
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