Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
abgeschlossen war, weil sie ihn hatte begleiten wollen. Rule hatte sie verstanden. Auch er kannte dieses Bedürfnis zu beschützen, auch wenn er es immer noch seltsam und sogar beunruhigend fand, wenn dieser Instinkt sich auf ihn richtete.
In diesem Fall brauchte er keinen Schutz. Er hatte schon mit genügend misstrauischen und voreingenommenen Polizeibeamten zu tun gehabt. Mit diesem hier, hatte er entschieden, wollte er kooperieren. Doch bisher hatte er mit seiner Kooperationsbereitschaft nicht punkten können. »Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich hier auf Lily warten.«
Deacon warf ihm einen scharfen Blick zu. »Ihre Liebste wird noch eine Weile brauchen.«
»Liebste« war ein schönes Wort, aber aus Deacons Mund klang es wie »Schlampe«. Rule ermahnte sich, sich nicht von seiner Wut leiten zu lassen, aber es war gut, dass er nicht Cullens Händchen für Feuer hatte. »Es wäre respektvoller, wenn Sie von ihr als Agent Yu sprächen.«
Deacon schnaubte. »Erzählen Sie mir keine Märchen! Ich weiß, wie Ihre Sorte Frauen behandelt. Respektvoll würde ich das nicht nennen.« Der Drucker spuckte das Blatt Papier aus, und er lehnte sich zur Seite, um es herauszunehmen. »Hier. Lesen Sie es und unterschreiben Sie.«
Rule nahm das Blatt, ohne einen Blick darauf zu werfen. Er konnte Deacon nicht sagen, dass er Lily treu bis in den Tod sein würde. Sie war seine nadia , seine Auserwählte. Sein Volk verstand das, aber niemand außerhalb der Clans wusste von dem Band der Gefährten – der einzigen Form von Treue, die unter Lupi akzeptiert war. Aber das ging Menschen auch nichts an.
Trotzdem ärgerte ihn die Unterstellung des Sheriffs. Doch eigentlich verstand er nicht, warum. Seit wann kümmerte es Lupi, was Outsider von ihnen dachten? »Da fällt mir ein, dass Sie im Territorium der Leidolf leben.«
»Wo?« Deacon schüttelte den Kopf. »Sie sind aus Kalifornien, stimmt’s? Vielleicht lernt man da in den Schulen nichts über Staaten und Countys und so. Sheriffs werden vom County gewählt, nicht von irgendeinem Territorium.«
»Ich weiß, was Countys sind«, sagte Rule trocken. »Leidolf ist ein Lupus-Clan, dessen Territorium – von dem nichts in den Schulbüchern Ihrer Kinder steht – ein Großteil Nordkaliforniens einschließt.« Das Clangut befand sich knapp fünfzig Kilometer außerhalb von Halo, aber das musste er dem Mann nicht unbedingt auf die Nase binden. »Ich frage mich, ob Ihre Abneigung daher rührt, dass sie Leidolf-Lupi gekannt haben. Die Art, wie sie Frauen behandeln, ist nicht typisch für mein Volk.«
»Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie an die Ehe glauben?«
»Ist die Ehe die einzige Art, wie man einer Frau Respekt bezeugen kann?«
»Die einzige Art, die etwas bedeutet.«
»Dann würden Sie auch nichts dagegen haben, wenn Ihre Tochter, wenn sie erwachsen ist, einen von uns heiratet.«
Rule dachte, der Mann würde ihn schlagen. Auch Deacon dachte das für einen kurzen Moment – woraus Rule schloss, dass Deacon keinen Lupus persönlich kannte. Daher konnten seine Vorurteile also nicht kommen. Jemand, der sich mit Rules Art auskannte, hätte gleich geschossen.
Dann hatte Deacon sich wieder im Griff. »Lesen Sie Ihre Aussage durch und unterschreiben Sie.«
Das war natürlich der andere Grund, warum die Nokolai sich vor so vielen Jahren in Kalifornien niedergelassen hatten. Die Wälder hier waren herrlich. Nur die Umgangsformen ließen manchmal zu wünschen übrig.
Rule las schnell. Abgesehen von ein paar Tippfehlern war die Aussage korrekt. Er lächelte, als er zum letzten Absatz kam, in dem beschrieben wurde, wie er sich auszog, damit Lily sich vergewissern konnte, dass keine Todesmagie an ihm haftete. Nirgendwo.
Deacons Ankunft hatte sie nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. »Sie haben eine schmutzige Fantasie«, hatte sie ihn angeschnauzt und dann getan, was sie für nötig hielt – so wie immer. Als Lily fertig war, hatte sie Deacon mit knappen Worten aufgeklärt, aber es war Rule gewesen, der darauf hingewiesen hatte, dass es möglicherweise klug sein würde zu prüfen, ob er nicht mit einem Zauber belegt war. Es wäre doch bedauerlich, wenn er plötzlich über sie herfallen würde, oder nicht?
Rules Lächeln war in sich zusammengefallen, als sie ihm von den Hunden erzählt hatten. Er sah hoch. »Haben Sie einen Stift?«
Deacon wühlte in dem Chaos auf seinem Schreibtisch und förderte schließlich einen zutage. »Sie sagten, Sie seien gestern angekommen. Wo wohnen
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