Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
konnte ein wenig von dem fühlen, was er fühlt. Er leidet furchtbar, Mandy Ann. Ihm ist so schrecklich kalt.«
»Er leidet nicht!« Die muntere Stimme wurde schrill. »Sie lügen. Er hat gar nicht mit Ihnen gesprochen.«
»Ist er hier? Ich wette, Sie können ihn sehen, auch wenn Sie ihn nicht sehr gut hören können. Wenn er hier ist, könnte ich ihn noch einmal in mich hineinlassen, damit er es Ihnen selbst sagen kann.«
»Lily –« Rule wollte zu ihr gehen, um sie zu schütteln, sie zur Vernunft zu bringen. Aber Mandy Anns Hand zuckte, als er eine Bewegung machte, und ein dünnes Rinnsal von Blut begann Tobys Hals hinunterzulaufen.
»Jetzt sehen Sie, was Sie angerichtet haben.« Sie klang, als habe sie aus Versehen ein Ei auf den Boden fallen lassen. »Gehen Sie nun alle dort rüber. Rüber zu dem Tisch. Beeilung, Beeilung.«
»Nun gut«, sagte Lily und setzte sich in Bewegung – und als sie an Rule vorbeikam, subvokalisierte sie gut hörbar: » Scharfschützen an den Fenstern. Lass das Schussfeld frei .«
Rule folgte ihr, ging aber bewusst langsam. Cullen passte sich seinem Schritt an. Je mehr Mandy Ann damit zu tun hatte, sie alle im Auge zu behalten, desto besser. Solange sie ihr zu gehorchen schienen, würde sie Toby nichts tun.
Bitte, Dame, lass sie Toby nichts antun.
»Ich habe Sie das schon einmal gefragt, Mandy Ann«, sagte Lily, als sie den Tisch erreicht hatte. Sie warf einen Blick auf Crystal, riss sich dann aber schnell wieder von dem Anblick los. »Was haben Sie vor? Charley kann nur in jemanden eindringen, der schon einmal klinisch tot gewesen ist.«
»Dazu sind natürlich die Elektroden da. Deswegen habe ich dem Jungen etwas von meinem Tee gegeben. Dieser Teil ist nicht sehr angenehm, und ich will nicht, dass er leidet. Aber es wird ihm nichts geschehen. Sein Herz muss nur für einen ganz kurzen Moment aufhören zu schlagen.«
»Das habe ich mir gedacht.« Lily ließ unauffällig den Blick schweifen. Sie wollte sich vergewissern, wo Rule und Cullen standen, dachte Rule. Dann sagte sie, ganz beiläufig: »Wenn Sie freies Schussfeld haben, dann Feuer.«
Das Donnern des Gewehrs ließ die Teller auf dem Regal klappern.
Die Frau auf dem Bett zuckte, als habe sie der Lärm erschreckt – und sackte dann in sich zusammen. Ihre kraftlose Hand ließ das Messer los, als sie zurück auf das breite, gemütliche Bett sank, die geöffneten Augen so starr wie die ihrer Tochter.
Noch bevor seine Ohren aufhörten zu klingeln, hatte Rule Toby ergriffen und von dem Bett mit seinem altmodischen Quilt gehoben, der nun mit Blut und Hirnmasse bespritzt war. Er hielt seinen schlafenden Sohn fest im Arm und wiegte ihn, hin und her, immer wieder.
Lily trat zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm, aber ihr Blick war auf das Bett gerichtet. Sie seufzte. »Sie haben recht, Brown«, sagte sie zu dem Mann, der gerade durch das Fenster kletterte, »Sie sind ein verdammt guter Schütze.«
36
Deacon rief per Funk einen Krankenwagen. Rule trug Toby nach draußen, um dort darauf zu warten, dass er wach wurde – weit weg von Blut und Tod. Lily hatte noch in der Hütte zu tun und rief als Erstes wieder einmal die Spurensicherung.
Sie fühlte sich schwach. Zittrig. Ihr war leicht übel. Die Folgen des Adrenalinstoßes , sagte sie sich. Bleib in Bewegung, dann geht es vorbei . Sie wandte sich an Deacon. »Würden Sie bitte das Krankenhaus anrufen und Louise ausrichten lassen, dass es Toby gut geht? Ich habe die Nummer nicht in meinem Handy gespeichert.«
»Natürlich.«
Cullen stand in der Mitte des Raums. Er drehte sich langsam im Kreis, bis sich sein Blick langsam auf den Boden richtete.
»Was tust du da?«, fragte sie ihn.
»Ich suche ihr Grimoire. Ich muss herausfinden, wie wir den Wiedergänger aufhalten können. Dazu brauche ich den Zauber, den sie benutzt hat.«
Der Wiedergänger. Unglaublich, aber sie hatte ihn ganz vergessen. Sie massierte ihre Schläfe und wünschte, sie könnte sich hinsetzen, nur für eine Minute. Die Übelkeit wurde stärker. »Charley. Sein Name ist Charley.«
»Richtig.« Er blieb stehen. »Gemüsekeller. Natürlich. Aber wo ist der Eingang?« Nachdenklich betrachtete er den Fußboden.
Sprach er wirklich in Rätseln oder war sie einfach nur besonders begriffsstutzig?
Brown kam zu ihr gestapft. »Warum, zum Teufel, sind Sie nicht da draußen bei dem Jungen und Ihrem Mann?«
»Ich –«
»Glauben Sie, ich könnte nicht auf einen Tatort aufpassen, bis die Techniker hier
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