Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
schon untersucht und war wieder verschwunden, um sich um Patienten zu kümmern, »die mich wirklich brauchen. Ihr Junge wird höchstens ein wenig Kopfschmerzen haben, wenn er aufwacht«.
»Toby geht es gut«, teilte er ihnen mit. »Sie wollen ihn noch ein paar Stunden hierbehalten, aber er hat nichts. Dem Arzt ist es gelungen, ihn kurz aufzuwecken. Es ist also nicht wie das letzte Mal.« Er lächelte Lily reumütig zu. »Ich weiß, du hast ihn bereits untersucht, und ich habe dir auch geglaubt, aber … es tat gut, ihn für einen Moment die Augen öffnen zu sehen.«
Lilys Gesicht wurde weich. Sie ging zu dem Bett, in dem Toby lag, unter einer dieser dünnen Decken, wie sie die Notaufnahme benutzte, und berührte zart seine Wange. »Er sieht gut aus. Richtig gut. Hattest du schon Zeit, mit Louise zu sprechen?«
»Sie kam hier herunter, als wir ankamen. Jemand hatte sie wohl benachrichtigt. Sie sagte, Alicia habe eine Gehirnerschütterung und ihr Schulterblatt sei gebrochen. Sie ist auf dem Wege der Besserung, aber sie wollen sie noch über Nacht zur Beobachtung hierbehalten. Sie ist wach. Sie war … Als sie das erste Mal aufwachte, war sie außer sich vor Verzweiflung wegen Toby.«
Er stockte, als er sich daran erinnerte, wie sicher er sich gewesen war, dass Alicia nicht wirklich etwas an ihrem Sohn lag. Und doch hatte sie um ihn gekämpft.
»Erinnert sie sich an den Überfall?«, fragte Lily.
»An das meiste. Sie hielt an, um zu tanken. An einer dieser automatischen Tankstellen, ohne Personal. Eine freundliche Frau, die gekleidet war wie ein Hippie, war die einzige Kundin. Sie bat Alicia um Hilfe, weil sie eine Panne hatte. Sie vermutete, dass es an der Batterie lag.«
»Mandy Ann.«
»Ja. Alicia weiß noch, dass sie einen Blick auf den Motor hinten in dem alten VW-Käfer der Frau geworfen hat, als sie etwas Hartes an der Schulter traf. Sie fiel zu Boden – ihr Schulterblatt wurde durch den Schlag gebrochen, was sie da noch nicht wusste – und sah die harmlose alte Hippiefrau mit einem Baseballschläger in der Hand. Die Frau packte Tobys Arm und zog ihn zu ihrem Auto, und dann hat Alicia all ihre Kräfte zusammengenommen und um ihren Sohn gekämpft.«
Rule schluckte. Er hatte die Kratzwunden auf Mandy Anns Gesicht gesehen. »An den zweiten Schlag, der die Gehirnerschütterung zur Folge hatte, erinnert sie sich nicht mehr.«
Lily legte den Arm um Rule und lehnte sich an ihn. Sein Arm umfing sie wie selbstverständlich. »Seltsam, nicht wahr?«, sagte sie. »Ich glaube, jeder liebt auf seine eigene Art. Es ist nicht immer die beste Art oder so, wie wir es uns wünschen. Liebe passiert einfach.«
Liebe sucht sich ihren eigenen Weg. Er lächelte. »Ja, das tut sie.« Schweigend standen sie eine Weile so, eng umschlungen. Dies ist immer noch tröstlich , dachte er. Ich brauche ihre Nähe, auch ohne das Band der Gefährten.
Cullen seufzte. »Es gibt leider nicht nur gute Nachrichten. Der Wiedergänger ist immer noch nicht unschädlich gemacht. Können wir draußen darüber sprechen?«
Rule schüttelte den Kopf. »Ich möchte Toby nicht allein lassen. Er könnte jeden Moment aufwachen und Angst bekommen, weil er nicht weiß, wo er ist.«
»Na gut. Zuerst musst du wissen, was sie mit Charley gemacht hat – aus Liebe. Sie entnahm Blut aus seinem Körper, bevor dieser ganz kalt war. Vorher hatte sie bereits einige Zeit mit Blutmagie experimentiert.«
»Blutmagie ist nicht immer schlecht«, sagte Rule. »Das hast du mir selbst gesagt.«
»Manchmal ist sie neutral, manchmal grau und manchmal …« Cullen verzog den Mund. »Ich habe gesehen, womit sie herumgespielt hat. Das Grau hatte sie längst hinter sich gelassen.«
Lily zog eine Augenbraue hoch. »Willst du damit sagen, sie war schon auf der dunklen Seite, als ihr Sohn starb?«
»Du kannst es ausdrücken, wie du willst – aber ihre magischen Praktiken hatten ihren Verstand bereits verwirrt.«
»Charley ist plötzlich gestorben«, sagte Rule. »Ist er zu einem Geist geworden?«
»Gut kombiniert. Ja, er war auf dem Weg zu ihr, aber nur sein Geist kam an. Das war wohl ein ganz schöner Schock.« Cullen trat von einem Fuß auf den anderen, als wäre er am liebsten auf und ab gegangen. Aber in dem winzigen Krankenzimmer war nicht genug Platz. »Sie war wirklich genial. Sie hat sich wohl schon seit Längerem mit einem sehr alten Runenzauber befasst und hatte bereits einige Variationen ausgearbeitet. Aber wie sie dann aus dem Stand heraus improvisierte …
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