Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
konnte, hatte sie auch nie danach gesucht. Schon vor langer Zeit hatte Lily aufgehört, auf ihre Mutter zu hören. Aber es macht mir immer noch etwas aus, dachte sie seufzend. Sie knipste die Nachttischlampe aus und schlüpfte nackt unter die Decke, zu müde, um nach ihrem Schlafshirt zu suchen. Zu Hause trug sie es nur selten, aber sie hatte sich vorgenommen, es hier zu tragen.
Ging Rule nicht allzu sehr ins andere Extrem? Zwar hatte er Toby bestraft, aber nicht, ohne ihm vorher zu sagen, dass er stolz auf ihn war. Eine eindeutige Botschaft war das wohl kaum.
Wenn Toby sich aus dem Haus schlich, durfte er das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Selbst in Halo passierten Kindern, die sich nachts auf den Straßen herumtrieben, schlimme Dinge. Und gerade jetzt war dort draußen etwas oder jemand, der andere zum Töten brachte.
Sie hörte nicht, wie Rule ins Zimmer kam, aber sie fühlte ihn. Mit geschlossenen Augen lauschte sie dem Rascheln seiner Kleidung, als er sich auszog, und sie lächelte. Oh ja, sie war schrecklich verliebt in diesen Mann. Sie wusste, dass er seine Kleider einfach auf den Boden fallen lassen würde, statt sie in den Schrank zu legen, und trotzdem lächelte sie.
Wahrscheinlich würde er sie am Morgen aufheben. Daran dachte er meistens, weil er wusste, dass Unordnung sie störte. Möglicherweise, dachte sie schläfrig, war es gar nicht schlecht für Kinder, wenn ihre Eltern – ob nun die, mit denen sie ihr Leben begonnen hatten, oder die, die sie später hinzugewannen – nicht immer einer Meinung waren. Hoffentlich, denn in den meisten Fällen war es wohl so.
Die Matratze senkte sich. Automatisch rollte sie sich auf die Seite, damit Rule sich an ihren Rücken schmiegen konnte. Er küsste ihr Ohr, seufzte, ließ sich in sein Kissen sinken und legte träge einen Arm über ihre Taille, um die Hand um ihre Brust zu legen. »Wir haben unseren Moment wohl verpasst, was?«
Sie nickte, ohne die Augen zu öffnen.
»Sagst du mir nicht, dass ich mich nicht richtig verhalten habe, was Toby angeht?«, murmelte er.
»Nein. Zu müde.« Doch sie konnte nicht widerstehen hinzuzufügen: »Ich glaube nicht, dass er sich heute zum ersten Mal aus dem Haus geschlichen hat.«
»Ich bin sicher, dass es so ist. Manches sehen wir lockerer, als du es gewohnt bist, zum Teil weil uns unsere Kinder nicht anlügen können. Doch Ungehorsam in den wichtigen Dingen tolerieren wir nicht.«
Sie hatte den Verdacht, dass sie die Dinge, die »wichtig« für sie waren, unterschiedlich definierten. »In deinen Augen wäre es schlimmer gewesen, wenn er sein Wort gebrochen hätte.«
»Ja.« Er vergrub die Nase in ihrem Haar. »Er ist mein einziger Sohn, nadia . Irgendwann wird er einmal Rho, das ist fast sicher. Sein Wort wird für den ganzen Clan bindend sein, und Lupi werden, wenn nötig, dafür sterben, um es zu halten. Er muss verstehen, was es bedeutet, ein Versprechen zu geben.«
Dieses Ideal war zu kalt, zu beängstigend, um es einem kleinen Jungen aufzuzwingen, aber er sprach nicht nur von seinem Sohn, sondern auch von sich selbst. Und, begriff sie, von seinem Vater. Was es bedeutete, ein Rho zu sein. Der Kopf des Clans war anders als die anderen, denn er trug eine Verantwortung, die die anderen ihm nicht abnehmen konnten.
Fühlte Isen dieselbe Geborgenheit, die der Rest des Clans durch die Clanmacht erlebte? Oder war sie ihm nur eine Last? Oder beides?
Clanmacht … da war doch noch etwas, das sie hatte fragen wollen … aber der Schlaf überkam sie. Als ihr Geist zur Ruhe gekommen war, kuschelte sie sich enger an Rule, um ihn wissen zu lassen, dass er nicht allein war. Aber ihre letzten Gedanken galten seltsamerweise seinem Vater.
Sie bezweifelte nicht, dass Isen Turner, sooft er wollte, Sex hatte. Aber hielt ihn jemand einfach nur im Arm, wenn er schlief? Oder war er auch dann allein?
21
Am nächsten Morgen schlief Rule lange, was ihn ärgerte. Normalerweise benötigte er nicht mehr als fünf Stunden Schlaf, aber in der Nacht davor hatte er gar nicht geschlafen. Es war kurz nach halb sieben, als Lily ihn aufweckte, als sie aus dem Bett schlüpfte – und damit seinen Plan, wie er sie hatte wecken wollen, über den Haufen warf. Unglücklicherweise hatte sie es eilig. Um halb acht musste sie bei einer Einsatzbesprechung sein.
Nun ja. Einer der Vorteile der Verbindung zwischen ihnen war zu wissen, dass es auch noch andere Morgen geben würde. Er hielt sich die Vorteile verzögerter Befriedigung vor Augen,
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