Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
genauso scharf. »Wir haben noch nicht einmal gefrühstückt.«
Mom sah verletzt aus. Vielleicht gefiel es ihr nicht, dass Grammy sie nicht eingeladen hatte, mit ihnen zu essen. Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Ich denke, du gestattest mir, es auf meine Art zu sagen.«
Dad sagte: »Hat es etwas mit dem Goldring an deinem Finger zu tun?«
»Oh ja.« Moms Lächeln war zu tief, zu strahlend, als wolle sie sie alle dazu bringen, ebenso glücklich wie sie zu sein. Oder sie wollte sich selbst glücklich machen, als wenn ihre Gefühle schon nachkommen würden, wenn sie nur angestrengt genug lächelte. »Ich habe letzten Monat geheiratet, und mein Mann und ich möchten, dass Toby bei uns lebt.«
Lily wusste nicht genau, warum sie in der Sherwood Lane war. Sie hatte den Verschwörungsfanatiker vernommen, was überraschend ergiebig gewesen war. Als sie ihn erst einmal davon überzeugt hatte, dass sie ihn nicht an einen geheimen Ort verschleppen würde, war er begeistert gewesen, Teil einer Ermittlung zu sein. Er hatte einen der Hunde unter Vorbehalt identifiziert und sich nun ans Telefon gehängt, um eine Liste anderer vermisster Haustiere aufzustellen.
Jetzt hatte sie etwas in der Hand, mit dem sie weitermachen konnte. Sherwood Lane lag zwar nicht weit ab von ihrem Weg, aber eigentlich gab es für sie keinen Grund, hier zu sein … keinen Grund, außer Rule.
Wenn es das verdammte Band war, das an ihr zog … Beinahe hätte sie umgedreht und wäre weitergefahren.
Aber es fühlte sich nicht an wie das Band. Mittlerweile wusste sie sehr gut, wie es sich anfühlte, nämlich wie ein Ziehen, nicht wie dieses … dieses Gefühlsrauschen. Als wenn sie erst wieder klar denken können würde, wenn sie bei Rule war.
Vielleicht entwickelte sie jetzt mediale Kräfte. Cullen würde heute irgendwann ankommen, und sie musste mit ihm sprechen. Vielleicht hatte sie irgendwelche Schwingungen von seiner Ankunft aufgeschnappt.
Lily schnaubte. Vermutlich, gestand sie sich ein, war sie nur dickköpfig. Der Uwharrie National Forest grenzte an den Wald, in dem Rule die Toten gefunden hatte. Den dortigen Ranger wollte sie nach einer eventuellen ungewöhnlichen Zunahme toter Tiere befragen – aber die Station des Rangers war über fünfzehn Kilometer weit entfernt. Das Band der Gefährten würde sie nicht so weit lassen, also musste sie entweder einen der anderen Agenten schicken oder Rule mitnehmen.
Das ärgerte sie. Sie … He, sieh mal an! Ein weißer Taurus setzte sich hinter Rules Mercedes. Automatisch merkte sie sich das Nummernschild. Ein Leihwagen? Cullen würde in Charlotte einen Wagen mieten.
Hm. Vielleicht war sie tatsächlich ein Medium.
Lily parkte am Bordstein vor dem Haus der Asteglios und stieg aus.
Die Haustür öffnete sich. Eine große, dunkelhaarige Frau mit wohlproportionierten, sinnlichen Formen trat ins Freie und sagte etwas über die Schulter zu Louise, die ihr folgte. Louise sah nicht glücklich aus. Die beiden waren so vertieft in ihre Unterhaltung – in der es um Abendessen und jemanden namens James ging –, dass sie Lily erst gar nicht bemerkten.
Dann sah die dunkelhaarige Frau sie endlich und blieb wie angewurzelt stehen. Genauso wie Louise. Sie schlug sich vor Überraschung an die Brust. »Oh – Lily. Ich hatte dich nicht so früh zurückerwartet.«
»Lily?« Die Lippen der anderen Frau verzogen sich zu einem Lächeln. »Ich verstehe. Sie sind klein. Viel kleiner, als ich gedacht habe.«
»Und Sie sind viel unhöflicher, als ich gedacht habe. Schließlich kenne ich Ihre Mutter. Sie sind Alicia Asteglio, nicht wahr?«
Sie zog die dunklen Augenbrauen hoch. »Das war ich.«
»Alicia«, sagte Louise tadelnd, »das war kein sehr guter Start.«
Alicia zuckte die Achseln. »Deiner Meinung nach mache ich nie etwas richtig.« Und damit marschierte sie zu ihrem Auto, wo sie noch einmal stehen blieb. Ihr Blick war entschlossen, doch ihre Stimme leise, der Ton halb schmeichelnd, halb bittend. »Ich versuche, alles richtig zu machen, Mama. Ob du es glaubst oder nicht. Du rufst mich an, um mir zu sagen, wann wir kommen sollen?«
Louise nickte, die Lippen fest aufeinandergepresst.
Ihre Tochter stieg ins Auto, schlug die Tür zu und setzte schnell zurück.
»Du bist aufgebracht«, sagte Lily vorsichtig.
»Aufgebracht?« Louise gab einen Laut von sich, der wie ein verunglücktes Lachen klang. »Sie hat geheiratet. Sie hat letzten Monat geheiratet und mir nichts davon gesagt. Sie wollte mich nicht
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