Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
dabeihaben … Ja, ich bin aufgebracht. Sie findet, ich sollte mich für sie freuen. Das tue ich auch, aber …« Sie schüttelte den Kopf.
Es hörte sich an, als würde sich immer alles nur um Alicia drehen. Nur ihre Gefühle zählten. Die ihrer Mutter nicht. Lily verspürte leise Gewissensbisse. War es mit ihr und ihrer Mutter vielleicht genauso? »Kam es ganz plötzlich?«
»Plötzlich für mich, ja. Was sie angeht, habe ich keine Ahnung. Sie lebt seit sechs Monaten mit James zusammen, in Beirut.« Unvermittelt begann Louise wieder ins Haus zu gehen. »Ich habe ihn nie getroffen, nur ein paarmal mit ihm telefoniert. Da war er ganz nett, aber was heißt das schon? Ach, was ich denke, ist ja auch egal. Ich mache mir nur Sorgen um Toby.«
Lily stockte kurz der Atem vor Schreck. »Wird sie Rule das Sorgerecht streitig machen?«
»Es ist komplizierter. Alles, was mit Alicia zu tun hat, ist kompliziert. Komm rein, meine Liebe. Hast du gegessen?«
Lily versicherte ihr, dass sie nicht hungrig sei, doch sie warf einen Blick auf die Kaffeekanne, als sie an der Küche vorbeikamen. Leer. Schade.
Rule und Toby waren im Wohnzimmer – Rule am Telefon, Toby neben ihm sitzend, die Arme verschränkt, den Blick auf den Boden gerichtet. Rules Gesicht ließ nicht erkennen, was er fühlte. Toby war anzusehen, wie wütend er war.
Toby sah auf, als Lily hinter Louise hereinkam. »Ich bleibe nicht bei ihr.«
»Sie hat immer noch das Sorgerecht für dich«, sagte seine Großmutter müde.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht zu ihr gehe. Ich sagte, ich würde nicht bleiben .«
Rule unterbrach sie. »Du bleibst«, sagte er kurz und angebunden. »Wenn du zu deiner Mutter ziehst, wirst du nicht weglaufen.«
Tobys Gesichtsausdruck ließ einigen Zweifel daran – vor allem, da er schon einmal weggelaufen war, um seinen Vater zu besuchen. Lily sah Louise fragend an.
»Alicia hat beschlossen, dass sie Toby zu sich nehmen will. Sie sagt, sie will ihn entscheiden lassen – nachdem er sechs Monate bei ihr und ihrem neuen Mann gewohnt hat.«
Lilys Augenbrauen schossen in die Höhe. »Lebt sie immer noch in Beirut?«
Louise schüttelte den Kopf. »Wieder in D.C. Eigentlich ist es ein Schritt zurück, weil sie ein niedrigeres Gehalt beziehen wird, aber James – James French, ihr neuer Mann – ist von der Agentur, für die er arbeitet, dorthin versetzt worden, und sie wollte mit ihm zusammen zurück in die Staaten.«
Vor acht Monaten hatte Alicia sich für ihre Karriere und nicht für ihren Sohn entschieden, als sie nach Beirut gezogen war. Offenbar war ihr Geliebter ihr das Opfer wert. Lily tat ihr Bestes, um sich ihren Unwillen nicht anmerken zu lassen.
»Und jetzt, da sie verheiratet ist, möchte sie eine Vollzeitmutter sein?«
»Das überrascht mich auch«, gab Louise mit leiser Stimme zu. »Sie möchte diese Chance wahrnehmen, für sich selbst und für Toby, aber sie beugt sich Tobys Wunsch, wenn er sich für seinen Vater entscheidet.«
Lily sah Rule an. »Lass dir das schriftlich geben.«
Rule nickte, aber seine Aufmerksamkeit war bei demjenigen, der sich am anderen Ende der Leitung befand.
Louise seufzte wieder. »Er spricht jetzt mit seinem Anwalt.«
»Ich bleibe nicht bei ihr«, wiederholte Toby.
Lily setzte sich neben ihn auf die Couch. »Warum nicht?«
Er runzelte die Stirn. Offenbar fand er ihre Frage dumm. »Weil ich bei Dad und dir leben will.«
»Das wollen wir auch. Sechs Monate sind eine lange Zeit.«
»Genau! Und sie hätte ruhig vorher mit mir darüber reden können. Sie hätte mir sagen können, dass sie diesen James heiratet, und mich fragen können, ob ich bei ihnen wohnen will. Aber das hat sie nicht. Sie kommt einfach und will, dass alles genauso läuft, wie sie es will, und droht uns.«
»›Droht uns‹ heißt, sie wird Rules Antrag auf Sorgerecht vor Gericht anfechten?«
»Sie sagt, sie wird alle Hebel in Bewegung setzen, dass alles herauskommen wird, und dabei hat sie so ein Gesicht gemacht« – er setzte eine gerissene, schlaue und vielsagende Miene auf – »als wenn sie unsere Geheimnisse kennen würde. Aber das tut sie nicht. Ich erzähle ihr nie etwas über die Nokolai.«
Das bedeutete nicht, dass Alicia nicht etwas herausfinden, sich zusammenreimen oder einfach erfinden könnte. »Das hört sich an, als müsstest du dich zwischen zwei Dingen entscheiden, die du beide überhaupt nicht willst – sechs Monate bei deiner Mutter zu bleiben oder einen anstrengenden, langen Sorgerechtsstreit
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