Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
den Arm geklemmt. »Nein, Liebes. Meine eigene Tür öffne ich gern selber.«
Lily ging ihr nach. Nicht weil sie sich Sorgen machte, dass jemand Louise überfallen könnte, aber … nun ja, doch, sie machte sich Sorgen. »Benutz den Spion, okay? Ich will nicht –«
Zu spät. Louise hatte schon die Tür aufgerissen. Sie fuhr sich mit der Hand an die Kehle und flüsterte: »Ach, du lieber Gott.«
23
Der Mann auf der Veranda hatte Augen, so unwirklich blau wie die Ägäis, und zimtfarbenes Haar. Seine Gesichtszüge waren ein Wunder an Symmetrie, denn das kräftige Kinn glich die Sinnlichkeit des Mundes wieder aus, sodass seine Schönheit nichts Feminines hatte. Und sein Körper … nun, die meisten Frauen wären sich wohl einig darin gewesen, dass er ein oder zwei Stunden eingehender Betrachtung wert war, wie jedes andere Kunstwerk auch.
Natürlich war der perfekte Kiefer unrasiert, das Zimthaar ungekämmt, und der makellose Körper steckte in abgetragenen Jeans und einem bedruckten T-Shirt, das das Recht der Bären auf das Tragen von Waffen forderte. Seine Sportschuhe dagegen waren fast neu – und schlammverschmiert. Keine Socken.
Auch an seinem Hochzeitstag hatte er keine Socken getragen. Oder Schuhe. Oder ein Hemd.
Die Meeraugen glitzerten belustigt. »Hallo, meine Liebe. Wenn du mich heute nicht erschießen willst, würdest du dann bitte deine Waffe wegstecken?«
Ohne ein Wort der Entschuldigung verstaute Lily ihre Waffe wieder in ihrem Holster und trat zur Seite. »Ich freue mich auch, dich zu sehen. Louise, dies ist Cullen Seabourne. Cullen, das ist …«
»Cullen ist da!«, schrie Toby. »Oh Dad, Cullen ist da!« Laute, eilige Schritte bewiesen, dass nicht alle Lupi sich so leise bewegten wie Schneeflocken. Toby schoss an Grammy und Lily vorbei und fiel dem verlotterten Halbgott auf der Veranda um den Hals.
Cullen fing ihn und hob ihn hoch auf seine Schultern. »Du bist ja schon wieder gewachsen. Du willst wohl gar nicht mehr aufhören, was?«
Toby grinste. »Nein. Ich werde gerne größer. Vielleicht werde ich am Ende noch größer als du. Ist Cynna mitgekommen?« Er sah sich suchend um, als hätte Cullen Cynna irgendwo in der Nähe versteckt. »Wo ist sie?«
»Mittlerweile wohl in San Diego, wenn ihr Flug nicht Verspätung hatte.«
Toby drehte sich um, um ernst zu seiner Großmutter zu sagen: »Cynna ist echt cool. In zwei oder drei Monaten bekommt sie ihr Baby – ich habe vergessen, wann genau. Sie und Cullen sind zusammen nach Edge gegangen, und als sie zurückkamen, haben sie geheiratet, aber ich konnte nicht zu der Hochzeit gehen, deswegen habe ich den Drachen nicht gesehen. Ein paar Leute in den Clans sind sauer auf ihn, weil er geheiratet hat, aber ich nicht. Dad auch nicht, aber Cullen sagt, dass Dad neidisch ist, weil er Lily auch gerne heiraten würde, aber nicht kann, weil er der Lu Nuncio ist, aber ich will nicht – hey!«
Cullen hatte Toby hochgehoben und hielt ihn nun mit dem Kopf nach unten an den Knöcheln und schüttelte ihn sanft. »Du bist mir ein wenig zu gesprächig, Zwerg.«
Toby kicherte und versuchte, sich hochzuziehen.
»Ich verstehe.« Aber Louises schwacher Stimme war anzuhören, dass sie nichts verstand. »Nun, schön, Sie kennenzulernen, Mr Seabourne. Rule hat mir gesagt, dass Sie kommen würden, aber in all dem Trubel hatte ich es vergessen. Kommen Sie doch bitte herein.«
»Zieh aber erst deine Schuhe aus«, sagte Lily. »Bist du etwa zu Fuß durch den Regen hierhergelaufen?«
Cullen warf einen Blick auf seine Schuhe, als hätte er vergessen, dass er sie trug. »Hmmm. Ich habe auf dem Weg kurz angehalten. So, Kumpel«, sagte er und setzte Toby auf der Veranda ab. Er bückte sich, um die Schnürsenkel seiner Schuhe aufzubinden.
»Wir wollten gerade laufen gehen und dann ein bisschen Fußball spielen«, sagte Toby aufgeregt. »Vielleicht dürfen Justin und Talia auch kommen. Das sind meine Freunde. Willst du mitkommen?«
Lächelnd hob Cullen den Blick von seinen nassen Schnürsenkeln. »Nicht sofort, fürchte ich. Ich muss mit deinem Vater etwas besprechen, was den Clan betrifft, und glaube, Lily wird mich gleich für ihren Fall in Beschlag nehmen.«
»Jetzt?« Tobys Miene verdüsterte sich. Er sah seinen Vater an. »Musst du dich jetzt um den Clan kümmern?«
Rule zögerte nur eine Sekunde. »Das kann bis nach dem Mittagessen warten«, sagte er locker, als wäre er nicht ungeduldig zu erfahren, was so wichtig war, dass Cullen extra hierhergeflogen war.
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