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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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verbeugt. Er wartete darauf, daß als nächstes die Entfernung des elektrischen Lichtes verlangt werden würde, aber entweder rechnete der Herr elektrisches Licht nicht zur modernen Technik, oder er hatte diesen Punkt vergessen. Er stieg murmelnd die Treppe hinauf, einen Boy mit dem Schweinslederköfferchen hinter, den Zimmerkellner mit dem Meldeblock vor sich.
    Von Studmann war nun lange genug Empfangschef in einer Großstadtkarawanserei, um sich noch allzusehr über Wünsche von Gästen zu wundern. Von der allein reisenden Südamerikanerin an, die schreiend ein Zimmerklosett für ihr Äffchen verlangt hatte, bis zu dem soignierten älteren Herrn, der nachts um zwei Uhr im Pyjama auftauchte und flüsternd sofort – aber bitte sofort! – die Besorgung einer Dame aufs Zimmer verlangt hatte (Stellen Sie sich bloß nicht so an! Wir sind doch alle Männer!) – fast nichts konnte noch die Gelassenheit Studmanns verwirren.
    Trotzdem war etwas an diesem neuen Gast, das ihn zur Vorsicht mahnte. Im Durchschnitt werden Hotels vom Durchschnitt besucht, und der Durchschnitt liest lieber Skandale in der Zeitung, als daß er sie miterlebt. Irgend etwas in des Empfangschefs Brust warnte ihn. Nicht so sehr die albernen Wünsche, eher schon das Fratzenschneiden, das plötzliche Schreien, der unruhige, bald freche, bald gehetzte Blick in den Augen des Gastes hatten ihn gestört.
    Immerhin waren die Rapporte, die von Studmann binnen kurzem empfing, befriedigend. Der Boy hatte einen ganzen amerikanischen Papierdollar Trinkgeld bekommen, die Geldtasche des Gastes war außerordentlich gut gefüllt gewesen. Der Zimmerkellner brachte den Meldeschein. Der Herr hatte sich als »Reichsfreiherr Baron von Bergen« eingetragen.
    Der vorsichtige Kellner Süskind hatte sich auch noch den Reisepaß des Fremden vorlegen lassen, wozu er nach einerBestimmung des Polizeipräsidenten berechtigt war. Der Paß – ein Inlandspaß, ausgestellt von der Amtshauptmannschaft in Wurzen – war zweifelsohne in Ordnung gewesen. Der sofort zu Rate gezogene Gotha erwies, daß es Reichsfreiherren von Bergen tatsächlich gab, sie waren in Sachsen ansässig.
    »Also alles in Ordnung, Süskind«, sagte von Studmann und klappte den Gotha wieder zu.
    Süskind wiegte unsicher den Kopf. »Ich weiß nicht«, meinte er. »Komisch ist der Herr.«
    »Wieso komisch? Hochstapler? Wenn er zahlt, kann es
uns
egal sein, Süskind.«
    »Hochstapler? Kein Gedanke! Aber ich glaube, der spinnt.«
    »Spinnt –?« fragte von Studmann, ärgerlich, daß auch Süskind denselben Eindruck wie er selbst hatte. »Unsinn, Süskind! Vielleicht ein bißchen nervös. Oder angetrunken.«
    »Nervös? Angetrunken? Kein Gedanke! Der spinnt …«
    »Aber wieso denn, Süskind? Hat er sich denn oben irgendwie komisch benommen –?«
    »Gar nicht!« gab Süskind bereitwillig zu. »Das bißchen Gesichterschneiden und Faxenmachen will gar nichts sagen. Manche denken doch, die imponieren uns mit so was.«
    »Also –?«
    »Man hat es so im Gefühl, Herr Direktor. Wie vor einem halben Jahr sich der Trikotagenonkel auf 43 aufhängte, hab ich’s auch im Gefühl gehabt …«
    »Um Gottes willen, Süskind! Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand! – Na, ich muß jetzt weiter. Halten Sie mich auf dem laufenden und haben Sie immer ein Auge auf den Herrn …«
    Von Studmann hatte einen sehr anstrengenden Nachmittag. Der neue Dollarkurs hatte nicht nur eine Neuauszeichnung aller Preise notwendig gemacht, nein, der ganze Etat mußte neu kalkuliert werden. Studmann saß wie auf Kohlen im Sitzungszimmer der Direktion. Unendlich umständlich setzte Generaldirektor Vogel auseinander, daß man erwägen müsse, ob nicht, vorsorglich weiterer Dollarsteigerungen,ein gewisser Aufschlag auf den jetzigen Kurs kalkuliert werden müsse, um sich nicht »auspowern« zu lassen.
    »Wir müssen die Substanz erhalten, meine Herren! Die Substanz!« Und er setzte auseinander, daß beispielsweise unser Vorrat an Alabasterschmierseife im letzten Jahre von siebzehn auf einen halben Zentner gesunken sei.
    Trotz der mißbilligenden Blicke seines Vorgesetzten rannte Studmann immer wieder in die Halle hinaus. Nach der vierten Stunde hatte der Strom der Reisenden sehr kräftig eingesetzt, im Empfang hatten alle Angestellten fieberhaft zu tun, und der Strom der Ankommenden staute sich gegen die, die plötzlich den Entschluß, abzureisen, gefaßt hatten.
    Flüchtig nur nickte Studmann mit dem Kopf, als Süskind ihm zuflüsterte, der Herr

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