Wolf unter Wölfen
auf 37 habe ein Bad genommen, sich dann ins Bett gelegt und eine Flasche Kognak und eine Flasche Sekt kommen lassen.
Also doch ein Trinker, dachte er gehetzt. Wenn er zu randalieren anfängt, schicke ich ihm den Hotelarzt und lasse ihm ein Schlafmittel geben.
Und er eilte weiter.
Studmann kam grade wieder aus dem Sitzungszimmer, wo Generaldirektor Vogel jetzt dabei war auseinanderzusetzen, daß Kalkeier der Ruin des Hotelgewerbes seien. – Immerhin sei unter den heutigen Umständen zu erwägen, ob nicht ein gewisser Vorrat – da die Zufuhren an Frischeiern … und da leider auch die Kühlhauseier …
Idiot! dachte von Studmann im Wegstürzen. Und verwundert: Wieso bin ich eigentlich so gereizt? Ich kenne diese Nölerei doch schon seit ewig … Das Gewitter muß mir in den Knochen sitzen …
Der Zimmerkellner Süskind hielt ihn an. »Jetzt geht es los, Herr Direktor«, sagte er mit gramverzerrtem Gesicht über der schwarzen Frackbinde.
»Was geht los? Sagen Sie schnell, was Sie wollen, Süskind. Ich habe keine Zeit.«
»Aber der Herr von 37 doch, Herr Direktor!« sagte Süskind vorwurfsvoll. »Er sagt, es ist eine Schnecke im Sekt!«
»Eine Schnecke –?« Von Studmann mußte lachen. »Unsinn, Süskind, lassen Sie sich doch nicht durch den Kakao ziehen! Wie sollen Schnecken in den Sekt kommen?! Habe noch nie so was gehört.«
»Aber es ist eine drin«, beharrte Süskind kummervoll. »Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen. Eine große, schwarze Nacktschnecke …«
»Sie haben –?« Plötzlich war Studmann ernst geworden, er überlegte. Es war völlig unmöglich, daß in dem Sekt seines Hauses Schnecken waren! Hier verkaufte man keinen gemanschten Schiebersekt! »So hat er sie reingesteckt, um uns einen Possen zu spielen«, entschied er. »Bringen Sie ihm unberechnet eine andere Flasche. Hier – für den Kellermeister.«
Er schrieb mit fliegender Hand den Bon aus.
»Und passen Sie gut auf, Süskind. Daß er den Spaß nicht noch einmal macht!«
Süskind wiegte ganz gebrochen den Kopf. »Wollen Sie nicht doch lieber einmal selbst zu ihm gehen? Ich fürchte …«
»Unsinn, Süskind. Ich habe keine Zeit für solche Späße. Wenn Sie das nicht selbst in Ordnung bringen können, nehmen Sie sich den Kellermeister mit als Zeugen oder wen Sie wollen …«
Studmann rannte schon. In der Halle schrie der bekannte Eisenmagnat Brachwede, er habe die Zimmer für zehn Millionen täglich gemietet, und hier auf der Rechnung stünden fünfzehn …
Er hatte den Magnaten über das zu unterrichten, was er längst wußte, nämlich über den gestiegenen Dollar, er hatte hier zuzureden, dort zu lächeln, einem Boy einen zornigen Wink zu geben, er solle etwas besser aufpassen, den Transport einer gelähmten Dame in den Fahrstuhl zu überwachen, drei Telefonanrufe abzuweisen …
… als der betrübte Süskind schon wieder hinter ihm stand.
»Herr Direktor! Ach bitte, Herr Direktor!« flüsterte er, ein wahres auf die Nerven gehendes Bühnenintrigantengeflüster alten Stils.
»Was ist denn nun schon wieder los, Süskind?!«
»Der Herr auf 37, Herr Direktor …«
»Was denn? Was denn? Noch ’ne Schnecke im Sekt?«
»Herr Tuchmann« (dies war der Kellermeister) »machte eben die elfte Flasche auf – in allen sind Schnecken!«
»In allen!« schrie von Studmann förmlich. Und leiser, als er die Blicke der Gäste auf sich fühlte: »Sind Sie denn nun auch verrückt geworden, Süskind?«
Süskind nickte traurig. »Der Herr schreit. Schwarze Nacktschnecken verbittet er sich, schreit er …«
»Los!« schrie Studmann und raste schon die Treppe zum ersten Stock hinauf, ganz ohne Rücksicht auf die würdige Haltung, die der Empfangschef und Subdirektor eines so vornehmen Betriebes in
jeder
Lage zu bewahren hat. Der kummervolle Süskind raste hinterdrein.
Sie spritzten durch die verblüfften Gäste – und es verbreitete sich sofort das Gerücht, unkontrollierbar, woher: Die Koloratursängerin Contessa Vagenza, die heute abend in den Kammersälen auftreten sollte, habe soeben entbunden.
Sie kamen gleichzeitig vor Nummer 37 an. Angesichts der erhaltenen Berichte meinte von Studmann auf alle zeitraubenden Höflichkeiten verzichten zu können. Er klopfte nur kurz und trat ein, ohne das Herein abzuwarten. Ihm folgte auf dem Fuß der Kellner Süskind, der sorgfältig die gepolsterte Doppeltür schloß, um den Lärm der etwa kommenden Auseinandersetzung den anderen Gästen fernzuhalten.
In dem recht großen Zimmer brannte
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